Ed King
herausstellte, war er selbst Diabetiker, und seine Frau Jenny hielt immer eine Pfanne Fudge bereit, für den Fall, dass er unterzuckert war. Noch bevor sie sich hinlegte, um ihren Jetlag auszuschlafen, gelangte Diane zu der Meinung, dass Jenny kalt und gefühllos mit ihrem Mann umging. Sie schnitt das Fudge mit grimmiger Miene und baute sich, eine Hand in die Hüfte gestemmt, vor ihm auf, als würde sie ihm Lebertran verabreichen.
Am nächsten Tag kam Club vorbei, der Glupschaugen und einen Kropf hatte. Als Kind war er kräftig, argwöhnisch und zäh gewesen, aber jetzt, mit siebenunddreißig, wirkte er ausgemergelt und ungepflegt. Er hatte lauter faule Zähne im Mund, rauchte nervös Kette und redete mit der selbstgedrehten Zigarette zwischen den Lippen. Er trug einen Peacoat und eine Baskenmütze. Wie sein älterer Bruder hatte er einen Schnauzer, der allerdings zu einem schmalen Oberlippenbart getrimmt war, und das gleiche Aderngeflecht des Alkoholikers auf den Wangen. Damit hörte die Ähnlichkeit aber auch schon auf. Club hatte die gedrungene Gestalt eines Ringers, einen tiefen Körperschwerpunkt und den Gang eines Schimpansen. Er dankte seinem Bruder überschwänglich für das Angebot, auf einem Feldbett aus Armeebeständen in einer Abstellkammer zu schlafen, und nachdem er seinen Seesack darauf abgestellt hatte, setzte er sich im Wohnzimmer, ohne Schuhe und mit einer Tasse überzuckerten Tees auf dem Schoß, vor den Fernseher. Wenig später fragte er John und Diane, ob sie sich erinnerten, wie Mum bei Tom Clark eine ganze Flasche Port getrunken hatte, und zeigte ihnen, wie sie Rauchkringel in Richtung des Fernsehers geblasen hatte. Später bei Tisch äußerte er sich bei Brot und Suppe bewundernd über Dianes edle Garderobe. Seine eigene Kleidung roch wie das englische Marschland.
Auf Mums Beerdigung gab ihre Freundin Harriett Rivers eine kurze Zusammenfassung ihres Lebens zum Besten und hob ihre Stärken hervor – frech, immer zu Späßen aufgelegt, eigensinnig und direkt, gut zu streunenden Katzen. Vor dem offenen Sarg empfand Diane es als passend, dass der Leichenbestatter ihre Mutter wie eine verschrumpelte Dirne aufgemacht hatte, wie eine alte Mätresse aus einer Gilbert-und-Sullivan-Oper. Sie sah aus, als gehörte sie mit Rüschenschlüpfer auf den Schoß eines abgebrannten Trunkenbolds. Es war fraglos auf makabre Art komisch, aber ebenso traurig, wenn auch nicht ganz so traurig, wie den rundlichen Polizisten mit rotem Gesicht in sein Halstuch schniefen zu sehen, als Mums sterbliche Überreste im Mausoleum in der vierten Reihe von links bestattet wurden. Anschließend machte Jenny Mum zu Ehren Pies, und der Polizist legte einige Fotos auf ein Sideboard und dazu ein halbes Dutzend von Mums Häkelarbeiten undeinige Briefe aus der Zeit, in der sie als Mädchen während des Kriegs auf dem Land gelebt hatte. Vor dem Essen erhob er mit feuchten Augen sein Ginglas zu einem Toast. »So viele haben auf Mum herumgetrampelt«, sagte er, »aber zu ihrer Ehrenrettung muss man sagen, sie hat sich nie etwas gefallen lassen. Sie hat ihnen ordentlich den Marsch geblasen, sie auf die richtige Größe gestutzt. Das war ihre Spezialität. Das hatte sie aus bitterer Erfahrung gelernt. Sie wuchs in einem Schafstall auf, aber sie hat vor niemandem gekuscht. Ihr könnt sagen, was ihr wollt, bei all dem ewigen Zank mit anderen Leuten und dem, was über sie alles geredet wurde, aber Mum war eine Kämpferin. Harriett weiß, was ich meine, weil Harriett dabei war, und ich danke dir, Harriett, dass du trotz der späten Stunde noch bei uns bist, und auch für die Trauerrede bei der Beerdigung. Ich fand, sie passte haargenau. Man hatte Mum praktisch vor Augen. Dank auch an unsere Allerbeste für die Blaubeer-Pies, und an dich, Club, und an dich, Diane, die ihr beide den weiten Weg auf euch genommen habt. Gott segne euch alle, und jetzt erhebt eure Gläser! Auf Mum!«
Diane sagte: »Auf Mum also«, und trank von ihrem Gin, und nachdem Club seinen Toast ausgebracht hatte – »Auf Mum, die unerschrockene Kämpferin!« –, fügte sie noch hinzu: »Ruhe in Frieden, Mum, und benimm dich anständig.« Harriett Rivers, deren kratzige Stimme die vielen Jahre selbstgedrehter Zigaretten verriet, sagte: »Benimm dich anständig? Deine alte Mum?« Und noch einmal hoben alle die Gläser.
Diane und Club tranken nach der Feier noch den Rest aus einer Flasche Gilbey’s Gin auf den rostigen Stühlen vor der Tür, nur wenige Schritte vom
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