Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
Vom Netzwerk:
beschwert.«
    »Mit keinem Wort«, bestätigte Ted.
    Tatsächlich war Diane zu allen betont freundlich, und ihre Beliebtheit wuchs. Die Leute von The Palms grüßten sie, nickten ihr zu und lächelten, winkten ihr von der Wohnungstür aus zu, plauderten auf dem Parkplatz mit ihr, sagten ein paar Sätze im Flur oder im Aufzug,flirteten mit ihr, drückten gegebenenfalls ihr Bedauern aus, luden sie zu Partys ein oder baten sie sogar wie Emily um Rat, den sie ihr gerne gewährte. An einem der geselligen Abende in der Cabaña wurde sie von einem Mädchen, das sie am Pool kennengelernt hatte, gefragt, ob sie wisse, wo man ein bisschen Koks auftreiben könne. »Ja«, sagte Diane. »Wie viel ist denn ein bisschen?«
    »Eine Linie vielleicht. Oder auch mehrere.«
    »Klar«, sagte Diane. »Gehen wir zu mir.«
    Opfer Nummer eins schleppte noch eine Freundin, Opfer Nummer zwei, an. Beide gingen mit Diane in ihr Apartment, wo sie Rum-Cola tranken, Santana hörten und den Fernseher ohne Ton laufen ließen, während Diane sie nach dem Vorbild von »Mike« mit Gratisproben versorgte.
    Am darauffolgenden Samstag ging sie erneut in den Pelican, um Mike zu treffen. Anstelle von Sir Charles standen diesmal Street Life auf der Bühne, eine achtköpfige Band, darunter drei angeberische Bläser, ein Paukenspieler, jemand mit einer Kuhglocke, einer an den Kongas und ein Sänger, dessen Oberkörper nur mit einer offenen Weste bekleidet war, sodass nicht nur das Venengeflecht auf seinen Armen, sondern auch seine markanten Brustmuskeln vorteilhaft zur Geltung kamen. Die Musik war schrill und laut, und Diane musste nahe an Mike heranrücken, um sich überhaupt verständlich zu machen. Sie beugte sich zu ihm und redete direkt in sein großes rosiges Ohr, damit er ihren warmen Atem spürte und den Geruch ihres Parfüms, Obsession von Calvin Klein, wahrnahm. »Ja«, log sie. »Ich habe deinen Stoff probiert. Ich hatte mir allerdings mehr davon versprochen.«
    »Wie bitte?«
    »Es hat mich nicht wirklich umgehauen«, sagte sie betont amerikanisch, aber er verstand ihren Humor offenbar nicht. »Es hat dich nicht wirklich umgehauen«, wiederholte er.
    »Ganz genau. Du hast richtig gehört.«
    »Tut mir leid für dich«, brüllte Mike. »Und wie kann ich dir jetzt weiterhelfen?«
    Diane legte einen Hundert-Dollar-Schein auf den Tisch. Dann nahm sie Mikes linke Hand, die mit dem Ehering, legte sie auf denSchein, strich ihm über die Finger, rückte etwa einen halben Meter von ihm ab, nippte an ihrem Mai Tai, schlug die Beine übereinander und sah zu, wie der Sänger von Street Life an seinem Mikrophon herummachte, während er eine Coverversion von You’re Still A Young Man sang.
    Mike trommelte mit den Fingern auf dem Schein. Sie sah, dass er sich ein Lächeln verkniff, als wüsste er genau, was gespielt wurde. »Offenbar hat er mich durchschaut«, dachte sie, ein Gedanke, den sie bei Dutzenden Typen gehabt hatte, als sie noch jünger, aber ihrer Sache nicht weniger sicher gewesen war. Damals hatte sie gelernt, dass die Tatsache, jemanden durchschaut zu haben, eine bestimmte Sorte Männer nicht davon abhielt, sich dumm anzustellen. Diane vermutete, Mike gehörte zu dieser Sorte. »Wenn du von der Schmiere bist, dann sag’s mir«, rief er, zu ihr gebeugt, woraufhin Diane ihm direkt ins Ohr antwortete: »Keine Bange, Mike, ich bin nicht von der Schmiere«, und ihn freundschaftlich auf die Schläfe küsste.
    »Weißt du was?«, fragte Mike, nachdem er ihren Kuss auf die gleiche freundschaftliche Art, wenn auch auf die Lippen, erwidert hatte. »Fast alle Mädchen, die mit mir ins Geschäft kommen, glauben, sie könnten bei mir Koks für ’ne Nummer bekommen. Das ist cool, nehme ich an, aber ich verdiene mein Geld damit.«
    »Perfekt«, sagte Diane. »Hast du bemerkt, dass ich einen Schein auf den Tisch gelegt habe?«
    »Hab ich«, sagte Mike. »Nur kommst du damit nicht weit.«
    »Drei Gramm.«
    »Für drei Gramm musst du noch vierhundert drauflegen.«
    »Also etwa hundertfünfundsechzig pro Gramm.«
    »So ungefähr.«
    »Und bei zehn?«
    »Fünfzehnhundert.«
    »Zwanzig?«
    »Zweitausendfünfhundert.«
    Diane holte dreiundzwanzig Hunderter aus ihrer Handtasche. »Gib mir zwanzig Gramm«, sagte sie.
    Es war ein gefährliches Spiel, aber sie mochte so etwas. Jedes Mal zehn bis zwanzig Gramm bei Mike zu kaufen und sie in Ein-Gramm-Tütchen in The Palms unters Volk zu bringen, neue Kunden mit Gratisproben zu ködern, Freunde von Freunden anzulocken,

Weitere Kostenlose Bücher