Ed King
Wochenendbetreuung schien von Monat zu Monat zu wechseln, aber die Haushaltshilfe war eine feste, professionelle Kraft. Sie stammte aus der Sowjetunion und war über die Hebräische Emigrantenhilfe in die Bay Area gekommen. Mehr konnte Ed zu Anfang nicht in Erfahrung bringen, entweder weil sie so verstockt war und auf jede Frage nur das Nötigste antwortete oder weil sie gar kein oder ganz furchtbares Englisch sprach. Ed konnte nicht sagen, was von beiden zutraf. »Hallo, ich bin der Enkel, Ed King«, sagte er, worauf sie etwas Unverständliches antwortete, zwei oder drei Wörter oder vielleicht auch nur ein einziges langes, in einer Sprache, die Russisch, Englisch oder sonst was sein mochte. Dann sagte er: »Sagen Sie mir Ihren Namen, bitte. Wie ist Ihr Name? « Wieder erwiderte sie irgendetwas Undeutliches. Sie stand mit einem Stapel gefalteter Handtücher unter dem Arm in der Tür zwischen Wohnzimmer und Küche, hatte ein Kopftuch umgebunden, trug klobige pinkfarbene Laufschuhe und sah Ed an, als wollte er sie deportieren. »Ich bin Ed«, sagte er, und sie senkte ernst den Kopf und lief den Flur entlang zum Badezimmer.
Pop fand es lustig. »Sie ist stumm wie ein Fisch«, erklärte er Ed. »Sie kommt, putzt, kümmert sich um alles, aber kaum ein Pieps, zehn Wörter vielleicht, mehr nicht – du weißt schon, hallo, Zeit fürs Mittagessen, Wiedersehen, das ist unsere gesamte Unterhaltung.«
»Sie kann kein Englisch.«
»Sie sagt: ›Hi.‹«
»Wie heißt sie?«
»Zinaida. Zumindest das weiß ich. Zinaida, aber nicht, wie weiter. Du weißt, was mit meinem Kopf los ist. Ich weiß nicht einmal ihren Nachnamen, obwohl ich ihn einmal mitbekommen habe.«
Nach ein paar Minuten kam Zinaida aus dem Bad und ging in die Küche, ohne sie anzusehen. Ed schaute zu ihr hinüber, aber sie huschte so rasch vorbei, oder besser gesagt, sie floh vor ihnen, dass er sie nur von hinten erblickte. Ihre Hose, dachte er, gehörte zur Berufsbekleidung einer Krankenpflegerin. Darüber trug sie ein unförmiges, tristes graues Sweatshirt. Es war Kleidung, die man nur im Haus trug, obwohl er manchmal im Supermarkt Frauen in diesem Aufzug begegnete, die ihren Wagen mit lauter Billigartikeln vollpackten und nachher an der Kasse alles mit Coupons bezahlten. Zinaida war mürrisch, langweilig, ärmlich und unzugänglich. Die Sorte Frau, die die Jüdische Kinder- und Familienfürsorge für wenig Geld vermitteln konnte.
Andererseits machte Zinaida einen passablen überbackenen Toast, wusste, wie man eine Dose Tomatensuppe öffnet, und war willens, mit Ed und Pop im selben Raum zu essen, wenn auch nur im Stehen, den Rücken ihnen zugekehrt, während sie gleichzeitig putzte, wischte, schrubbte und spülte und sie sich über die Golden State Warriors unterhielten. Ed sah, dass ihre Hände ständig in Bewegung waren und sie zwischendurch verstohlen von ihrem Sandwich abbiss, das sie beim Arbeiten mit winzigen Kaubewegungen verspeiste. »Ein prima Käsetoast«, sagte Pop so laut, als wäre Zinaida schwerhörig, aber sein Lob blieb ohne Reaktion, entweder, wie Ed vermutete, wegen der Sprachbarriere oder aus Gründen der Selbstachtung, weil sie ihm wie eine Person vorkam, die eine hohe Meinung von sich selbst hatte und nicht vor anderen auf die Knie ging. Trotz ihres hässlichen Wäscherinnenkopftuchs, des Sweatshirts, der Krankenhaushose und der Laufschuhe, trotz ihrer Verunsicherung als Ausländerin und ihres angespannten, starren Gesichts bewegte sich Zinaida stets auf eine selbstsichere Weise, ohne Unterwürfigkeit oder Verachtung. Wenn sie in der Küche fertig war und sie in dem Zustand verließ, in dem sie sie vorgefunden hatte, oder besser gesagt, wenn sie sie unter ihrem kurzen Regime tipptopp in Ordnung gebracht hatte, zog sie einen nachgemachten Militärparkaüber, nahm ihre Handtasche, die eigentlich eine Einkaufstasche war, verabschiedete sich mit einem Nicken von Pop und zeigte Ed zuletzt zumindest, dass sie ihn bemerkt hatte, indem sie ihren Blick, wenn auch nur flüchtig, in seine Richtung lenkte. »Pass auf«, sagte Pop, »ich verabschiede mich wie ein echter Russe. Do swidanja , Zinaida!«
»Viele gute Nacht«, antwortete sie und war auch schon aus der Tür. »Na, was habe ich dir gesagt?«, fragte Pop. »Zwei Wörter, vielleicht auch mal drei, wenn du Glück hast.«
»Aber worüber würdest du dich denn mit ihr unterhalten, wenn sie reden würde?«
»Die Alte Welt. Sie kommt von woher? Ich habe es noch nicht herausgefunden. Ich,
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