Ed King
Fernseher, mit saurer Sahne und einem glibbrigen, durchsichtigen Pflaumengelee, und tranken dazu einige Flaschen Michelob, die Pop zur Feier des Tages gekauft hatte. Als er zu Zanaida in die Küche ging, sah Ed, dass sie ihr Bier aus einem Glas trank, während sie mit einem Pfannenheber in den brutzelnden Reibekuchen herumstocherte und sie anschließend mit Küchenpapier abtupfte. »Die Reibekuchen«, sagte sie und lud einen auf den Pfannenheber. »Ich mache noch mehr. Wollen Sie?«
»Ihr Englisch wird besser«, antwortete Ed und nahm die Reibekuchen, »viel besser sogar.«
»Lernen«, sagte Zinaida. Dann zeigte sie auf den Kühlschrank und fragte: »Mehr saure Sanne.«
»Saure Sah-ne.«
»Akzent«, sagte Zinaida.
»Sahne, mit einem langen a .«
»Saahne.«
Er blieb in der Küche, setzte seinen Pappteller ab und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. Aus dem Wohnzimmer drangen Publikumsgeschrei und die lauten Stimmen der Kommentatoren herüber. »Er schläft nebenan«, sagte Ed, »nur ich bin noch da, Ed. Falls Sie es vergessen haben. Ich bin Ed.«
Zinaida drückte Küchenpapier auf die Reibekuchen und sagte: »Ed ist Enkel. Neues Wort – Enkel. Ich mache Sprachekurs.«
»Und wie heißt es, wenn es ein Mädchen ist?«
»Dann Enkelin. Das Wort.«
»Richtig«, sagte Ed. »Also, Zinaida – ist das richtig ausgesprochen? –, wo kommen Sie her? Eine der ersten Fragen im Sprachkurs. Wo kommen Sie her, Zinaida?«
»Aus Sowjetunion.«
»Woher exakt aus der Sowjetunion?«
»Was ist exakt ?«
»Ihre Stadt. Ihre Region.«
»Ah«, sagte Zinaida. »Buchara. Taschkent.«
»Welche von beiden? Buchara oder Taschkent?«
»Eine ist Buchara«, sagte Zinaida. »Ich bin zwei, Taschkent.«
»Noch ein bisschen Sprachkurs?«, sagte Ed. »Also gut, los geht’s. Was haben Sie in Taschkent gemacht?«
»Taschkent große Stadt. Viel Universität und Regierung.«
»Und was haben Sie dort gemacht?«
»Tasch kent .«
»Verstehe, Taschkent«, sagte Ed, »aber Sie, was haben Sie dort gemacht? In Taschkent?«
»Ich arbeiten für Regierung. Sekratärin. Richtige Wort? Sekratärin?«
»Sekretärin. Sie haben in Taschkent als Sekretärin gearbeitet. Für die Regierung. Sie waren also sozusagen Regierungssekretärin.«
»Sekratärin.«
»Prima«, sagte Ed. »Sie machen das großartig. Wir können uns richtig gut unterhalten.«
Zinaida hob ihren Pfannenheber drohend in die Höhe, als wollte sie Ed damit schlagen, was bedeutete, dass sie ihn verstanden hatte. »Ich bin Taschkent Balletttänzerin«, sagte sie. »Bevor Sekratärin.«
»Sie waren Balletttänzerin in Taschkent«, sagte Ed. »Das ist die Vergangenheitsform.«
»Sie waren «, wiederholte Zinaida.
Er gab es auf. Er wollte nicht aufdringlich sein. »In Amerika wissen wir fast nichts über Russland«, sagte er. »Ihr bezahlt mit Rubel, habt eure Fünfjahrespläne, trinkt gerne Wodka, euer Chef ist Breschnew, allerdings ist er vor kurzem gestorben, wer sich beschwert, wird nach Sibirien geschickt, ihr habt jede Menge Atomwaffen und ein Raumfahrtprogramm. Noch was vergessen? Wir haben von Solschenizyn gehört. Und ihr seid gut im Schach. Spasski. Karpow. Aber wir haben Bobby Fischer. Ihr habt die Turner, wir die Sprinter, ihr die Gewichtheber, wir die Schwimmer. Es gleicht sich aus. Détente.«
»Mein Land, Usbekistan«, erwiderte Zinaida. Dann stellte sie die Herdplatte aus. »Genug«, sagte sie. »Saubermachen.«
Zu Chanukka schenkte Pop Zinaida zwanzig Susan-B.-Anthony-Silberdollar. Jeder steckte einzeln in einer Plastikhülle, allerdings überreichte Pop ihr das Geschenk in einer braunen Papiertüte. Sie schien sich aufrichtig zu freuen und blieb sogar im Wohnzimmer stehen, trotz Pops wiederholter Aufforderung, sich zu setzen, um sich das spannende Ende des Basketballspiels anzusehen. Anschließend machten sich sich beide zufällig gleichzeitig fertig zu gehen, und Ed bot Zinaida an, sie nach Hause zu bringen.
Im Honda kehrte Zinaida zu ihrem stummen Leiden zurück und setzte ihre verkniffene, argwöhnische Miene auf. Da er nun wusste, dass sie früher Tänzerin gewesen war, sah Ed sie mit anderen Augen, als jemanden, zu dessen Vergangenheit eine gewisse Kultiviertheit gehörte. Er hätte das vorher zwar nicht ausgeschlossen, wäre aber von selbst auch nicht darauf gekommen. Dennoch schien es im Nachhinein offensichtlich, wenn man ihre Beweglichkeit in der Küche, ihre langen Glieder, ihre aufrechte Haltung, ihre Eleganz und die tiefen Grübchen unter ihren
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