Ed King
denn?«
»Schon immer. Jedenfalls schon eine ganze Weile.«
» Oj, mein Kopf«, antwortete Pop.
An dem Abend in San Jose dauerte es eine Weile, bis sie Chan’s Restaurant gefunden hatten. Ed fuhr den Honda, den er zu seinem achtzehnten Geburtstag bekommen hatte. Alice hatte ein rotes Band darumgewickelt und auf dem Dach zu einer kunstvollen Schleife gebunden, und sein Vater hatte die Mitgliedschaft im Automobilclub, die Versicherung, Schneeketten und eine Benzinkreditkarte beigesteuert. Pop dirigierte Ed mal nach links, mal nach rechts und schickte ihn zweimal um denselben Block, bis sie zuletzt doch noch vor Chan’s standen. Eine ältere Dame in einem Kleid aus Seidenbrokat empfing sie. Pop kannte sie, hatte aber ihren Namen vergessen. Sie begleitete sie zu ihrem Tisch und sagte zu Pop: »Für Sie keine Stäbchen«, und zu Ed: »Möchten Sie Stäbchen?«
»Egal. Beides.«
»Ist das Ihr Enkel?«
»Stanford«, antwortete Pop.
»Und sieht so gut aus«, rief ihre Gastgeberin entzückt. »Vielleicht große Probleme mit Mädchen!« Sie kicherte gekünstelt und ging, während Ed die Arme verschränkte und die Augen verdrehte.
Nach dem Essen, das fettig war und vor allem nach verkochtem Ingwer schmeckte, bestand Pop auf einem Sara-Lee-Käsekuchen, der zu Hause im Kühlschrank auf sie wartete. Außerdem lief auf CBS eine Serie, Die Blauen und die Grauen mit Gregory Peck als Abraham Lincoln, die sie sich ansehen und dabei ihren wunderbaren Nachtisch essen könnten. Da Haus und Garten ihm zur Last geworden waren und er obendrein nicht mehr Auto fuhr, war er in ein deprimierendes Apartment in Fußnähe zur Sinai-Synagoge gezogen, wo er mit seinen Freunden von früher beten konnte. »Die alte Truppe«, sagte er, »sterben weg wie die Fliegen. Letzten Monat erst hatte mein Freund Runstein einen Schlaganfall, und jetzt kriegen wir nicht mehr jede Wochegenug Männer für ein Minjan zusammen. Park hier, Ed, die verteilen keine Knöllchen.«
In der Wohnung stank es. Die Toilette war schmutzig, und im Kühlschrank fand Ed schimmeligen Käse. Auf Pops niedrigem Sofa aßen sie Käsekuchen, tranken Limonade und sahen fern. Nach fünfzehn Minuten nickte Pop ein, und Ed erfreute sich an Kathleen Beller als Lazarettschwester. Nach einer weiteren Viertelstunde Die Blauen und die Grauen stopfte er die Pappteller in den Müll, aß ein zweites Stück Käsekuchen aus der Backform und wischte, bevor er ging, über die Küchenplatte. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, hatte Pop die Augen geöffnet und die Fernsehzeitschrift auf dem Schoß. »Simon«, sagte er, »ich bin eingenickt.«
»Ed.«
»Wie? Ed?«
»Ich bin Ed, nicht Simon.«
»Du bist Ed?«
»Jawohl.«
Verlegenes Schweigen.
Am nächsten Tag rief Ed seine Mutter an, um ihr von Pop zu erzählen, und Alice rief eine halbe Stunde später zurück und berichtete, sie habe mit einem Pincus Sowieso oder Sowieso Pincus gesprochen, der Pop von der Gemeinde kannte und Eds Aussagen bestätigt habe, nämlich dass Pop geistige Aussetzer habe und Pincus sich Sorgen um Pops fortschreitende Demenz mache. Alice hatte auch bei der Jüdischen Kinder- und Familienfürsorge in San Francisco angerufen, die einen Sozialarbeiter hinaus nach San Jose schicken wollte, um Pops Situation einzuschätzen und die Familie zu beraten, was in diesem Fall am besten zu tun sei. Und das alles, sagte Alice, »weil du, Ed, ein so aufopferungsvoller und gewissenhafter Enkel bist. Vielen Dank, dass du dich darum gekümmert hast.«
»Du machst mich ganz verlegen.«
»Du bist ein guter Junge.«
»Hör auf.«
»So sind Mütter nun einmal«, gurrte Alice. »Ganz egal, wie alt du bist, du wirst immer mein kleiner Junge bleiben.«
Dan, der mit in der Leitung war, sagte: »Es ist wirklich großartig von dir, dass du dich um Pop kümmerst. Ich glaube, er wird langsam tüddelig.«
»Ich leg sofort auf«, erwiderte Ed. »Zu viel Lobhudelei.«
Nach Meinung des jüdischen Sozialarbeiters brauchte Pop lediglich gelegentlich Hilfe, es müsse nur ab und an jemand nach ihm schauen. In Eds zweitem Jahr an der Uni allerdings hatten sich die Dinge bis zu dem Punkt verschlechtert, wo nur noch die Einweisung in ein Pflegeheim oder eine regelmäßige häusliche Hilfe zur Wahl standen. Pop blieb eisern und wollte seine Wohnung nicht aufgeben, sodass Alice jemanden suchte, der fünf Tage in der Woche zum Putzen, Kochen, Waschen und Bügeln zu ihm ins Haus kam, und eine weitere Person für die Wochenenden anheuerte. Die
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