Ed King
eingesunken dasaß und ihr aschfahles Gesicht gegen die Scheibe lehnte. Bei starken Windböen vom Meer her fuhren sie auf die Fähre und bekamen einen Platz zwischen einem Kleinbagger auf einem Anhänger und einem Abschleppwagen. Diane wollte lieber im Lincoln bleiben, statt nach oben in die warme Kabine zu gehen, also legte Walter ihr eine Decke auf den Schoß und aus ängstlicher Fürsorge eine weitere über die Schultern. Das Schiff stampfte durch die unruhige, sich immer höher auftürmende See, bis Walter bei Rosario Pass fürchtete, sie könnten kentern. »Tut mir leid, dass wir eine so raue Überfahrt haben«, sagte er, und Diane antwortete: »Lass gut sein, Walter. Du klingst jämmerlich.« Dann rollten sie auf rissigen Asphalt und fuhren über verlassene Straßen zu einem Ferienhaus bei Cattle Point, wo Walter seine schmollende Teenager-Geliebte unterbrachte und ihr ein Bündel Geldscheine in die Hand drückte.
Diane wollte nichts essen. Sie wollte auch nicht reden. Durch ihr Schweigen hämmerte der Regen noch lauter auf das Dach. Sie ging ins Schlafzimmer, schloss die Tür und ignorierte ihn. Walter verbrachte die Nacht auf der Couch, wachend und voll bekleidet, während erdurch die Schlafzimmerwand ihr gewohntes Schnarchen hörte, das trotz allem rührend und liebenswert war. Wenn ein so junger und bezaubernder Mensch schnarchte, war das nicht ärgerlich, sondern hinreißend.
Am Morgen, noch bevor sie aufwachte, fuhr er nach Friday Harbor. Nachdem er bei laufendem Motor die Anzeigenseiten der Zeitung überflogen hatte, erledigte er von einer Telefonzelle aus einen Anruf und kaufte nach kurzer Testfahrt eine Schrottlaube für fünfundsiebzig Dollar. Der Wagen hatte ausgeleierte Sitzfedern und roch nach Schimmel, aber Walter ließ seinen eigenen Wagen stehen und fuhr damit zurück nach Cattle Point, wo er Diane mit aufgesetzter Begeisterung aufforderte, bei ihm Fahrstunden zu nehmen. »Komm schon«, sagte er. »Das wird bestimmt lustig.« Als wären sie Vater und Tochter und könnten an einem Auto Spaß haben. Diane setzte sich hinters Steuer und klärte ihn sofort auf, dass sie schon oft gefahren war. »Geht dich überhaupt nichts an«, erwiderte sie auf Walters Frage, wo und wann sie es gelernt habe.
Sie holten den Lincoln und fuhren mit beiden Wagen zu einer Tankstelle, wo Walter die Fahrzeuge volltankte. Außerdem kaufte er eine Packung Eiscreme, ein Kartenspiel, ein Buch mit Kreuzworträtseln und vier Tüten mit Lebensmitteln. Alles verstaute er in Dianes randvoll getankten Wagen. Sie erklärte, er brauche sie nicht zum Haus zu begleiten, sie kenne »den Weg ins Gefängnis«. Sie brauche lediglich noch einmal die doppelte Summe dessen, was er ihr zuvor gegeben habe. Walter gab ihr das Geld. Er betonte, sie solle es sich gutgehen lassen, den Wagen nehmen, wann immer sie ihn brauche, und abwarten. »Fabelhaft«, sagte Diane. »Einfach fabelhaft.«
Walter entschuldigte sich noch einmal, ohne zu merken, dass er die Dinge dadurch nur noch schlimmer machte statt besser. »Hör zu«, sagte er, »ich übernehme die volle Verantwortung für meinen Anteil an der Sache. Ich habe hier eine Verpflichtung, das weiß ich, und ich will dieser Verpflichtung gerecht werden, ganz egal, wie.«
»Fahr nach Hause«, antwortete sie. »Und lass das Gefasel, was für ein gewissenhafter Mensch du doch bist, okay?«
Auf der Fähre saß Walter wie ein geprügelter Hund hinterm Steuer,rieb sich die Schläfen und wälzte düstere Gedanken. Auf dem Festland geriet er in heftige Unwetter und dachte beunruhigt daran, dass er im Falle eines Unfalls dumm dastände. Lydia würde wissen wollen, wieso er nördlich von zu Hause einen Unfall haben konnte, wo doch der Flughafen, auf dem er auf dem Rückflug von Houston landen sollte, südlich davon lag. »Richtig«, dachte Walter, »ich bin in Houston gewesen.« Er machte einen Abstecher zum Northgate Shopping Center und kaufte ein paar Mitbringsel, die nach Texas aussahen.
In der Nacht lag er schlaflos im Bett, Lydia in einem Baumwollnachthemd und einem hüfthohen Schlüpfer an seiner Seite, und dachte darüber nach, was seinen Plan zu Fall bringen konnte. Am meisten fürchtete er Dianes lodernde Wut und ihren Hang zu unbedachtem Handeln. Sie könnte beispielsweise in eine Telefonzelle in Friday Harbor gehen und ihn zu Hause anrufen, obwohl er ihr eingeschärft hatte, es nicht zu tun. Der Gedanke beunruhigte ihn so sehr, dass er am Morgen, als das Telefon läutete, in panischer Angst
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