Ed King
Griff.«
Aber er bekam sich nicht in den Griff, einen ganzen aufregenden Monat lang nicht, bis zu dem Tag, an dem seine Frau aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Walter holte Lydia am ersten Samstag im August ab. Sie küsste ihn so innig in der Tür ihres Krankenzimmers, dass es seine Schuldgefühle noch vergrößerte, während er auf den feinen Flaum auf ihrem Unterarm starrte. Der Krankenhausfriseur hatte ihr Haar zu einem Turm aufgesteckt, und sie hatte sich für ihre Heimkehr ein frisch gebügeltes Trägerkleid mit Blumenmuster und scharlachrote Pumps angezogen. In der Eingangstür blieb Lydia kurz stehen und sagte: »Ich möchte niemals zurück in dieses Höllenloch«, nahm Walters Hand und küsste ihn noch einmal. Sie küsste ihn ein drittes Mal neben dem Lincoln und sagte, wie wunderbar es sich anfühle, sich erholt und zehn hartnäckige Pfunde abgespeckt zu haben. Sie wolle ihr Leben zurück, sagte sie. Sie klang hoffnungsvoll. Walter sagte, er wünsche sich das Gleiche für sie, dann bat er sie zu erklären, was es mit ihrer Krankheit auf sich hatte. Was hatten die Psychologen gesagt? Was steckte dahinter? Lydia erwiderte, es sei alles sehr kompliziert und es gebe keine einfache, pauschale Erklärung. Es habe mit ihrer Kindheit zu tun, glaubte er zu verstehen. Ihre Mutter war schön und schlank gewesen, ihr Vater, einkleiner Buchhalter, war ihr immer unnahbar erschienen. Die Hauptsache sei, dass es ihr jetzt bessergehe.
Walter brachte Lydias Koffer ins Haus, während Lydia eine strahlende Ruhe verbreitete. Die Kinder empfingen sie so überschwänglich, als hätte es nie eine Diane Burroughs gegeben. Lydia hockte sich sogleich zu ihnen auf den Boden, wo sie ihren neu gewonnenen inneren Frieden noch besser entfalten konnte, und Walter setzte sich zerknirscht dazu. Diane erwies sich als geborene Schauspielerin und trat Lydia in einem Hosenrock, umgebundener Schürze und Zöpfen entgegen, die sie zur Freude der Kinder hüpfen ließ, während sie Lydia von der »geschmackvollen, modernen Einrichtung« im Haus der Cousins vorschwärmte und die unglaublich leise Geschirrspülmaschine lobte. Das war auch schon ihre ganze Begrüßung. Von der restlichen Wiedersehensfeier hielt sie sich fern, als probe sie die sprichwörtliche Diskretion des britischen Hauspersonals. Zum Dinner hatte sie einen Sommersalat aus kalter Hühnerbrust auf Spinatblättern, Mandarinenscheiben und Mandelsplittern vorbereitet. Für die Kinder gab es Kartoffelkroketten und zum Nachtisch eine Schokotorte von Duncan Hines, die Lydia mit dem Hinweis auf ihre frisch gefassten Vorsätze ablehnte. Diane versicherte Lydia, sie sehe großartig aus.
Nach dem Essen saßen Walter und Lydia im Garten, während Diane den Abwasch erledigte und nach den Kindern sah. Sie redeten über die Blumenbeete und einige Veränderungen im Garten, ein Vogelbad und Bodenplatten gegen das Unkraut. Walter war nur halb bei der Sache, gequält von Sorgen um die Zukunft seiner Ehe. Was sollte er tun? Wie ging es weiter? Was würde aus ihm und Diane werden? Er versuchte sich auf Lydia zu konzentrieren, die auf der Veranda saß und wirklich gut aussah. Tatsächlich fand er, dass sie mit ihrer übernatürlichen Ruhe und den verlorenen Pfunden so attraktiv war wie lange nicht mehr, ganz und gar nicht vergrämt, launenhaft und ängstlich. Walter wusste, dass sie es einen Monat lang nicht »gemacht« hatte, was bedeutete, dass es heute Abend aufregender würde als normalerweise. Leider plagten ihn trübe Gedanken, die sein Vergnügen schmälern würden.
Als er sicher war, dass er aufstehen konnte, ohne Lydia das Gefühl zugeben, sie am Abend ihrer Heimkehr in den Kreis der Familie im Stich zu lassen, sagte er: »Ich sehe mal nach den Kindern.«
»Tu das«, antwortete Lydia. »Ich gehe unter die Dusche.«
Walter entfernte sich. Lydias Gegenwart zu entkommen, empfand er als vorübergehende Erleichterung, weil er nicht krampfhaft eine Maske tragen musste und seinen Gedanken nachhängen konnte, ohne zu befürchten, dass man es ihm ansah. Er klopfte an Dianes Tür, öffnete sie und sagte: »Kinder! Genug für heute. Zeit fürs Zähneputzen.«
Es dauerte eine Weile, aber nachdem er seine Aufforderung ein viertes und letztes Mal wiederholt hatte, zogen Barry und Tina ab. Walter schloss die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und sagte, an einen Teenager im Hosenrock gewandt: »Und was jetzt?«
»Wir werden sehen.«
»Was wünschst du dir?«
»Vieles.«
»Was soll das
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