Ed King
heißen?«, fragte Walter.
Er hob mit zwei Fingern ihr Kinn, als wollte er ihr Gesicht aus der Nähe bewundern, und beugte sich vor, um ihr einen Kuss zu geben, aber Diane schob die Hand weg und wich zurück. »Lass das«, sagte sie. »Nicht jetzt.«
»Schon gut«, sagte Walter. »Ich verstehe.«
Er wunderte sich überhaupt nicht, als er vierzig Minuten später feststellte, dass er beim Sex Probleme mit der frisch geduschten, parfümierten und noch leicht klammen Lydia hatte. Unter ihm liegend, wartete sie sehnsüchtig auf Liebesbezeugungen, zu denen er im Augenblick nicht fähig war. Nach allerlei Anstrengungen brachte er eine halbe Erektion zustande und drang in sie ein, verspürte dabei aber keine Lust, sondern Schuld. Lydias Vertrautheit und ihre jüngst überstandene Nervenkrise lösten in ihm einen Selbstekel aus, der sein Glied schrumpfen ließ. Er entschuldigte sich wortreich, war dankbar für ihre verständnisvolle Beschwichtigung und tat zuletzt das, was er immer tat, wenn er nicht in Stimmung kam oder sein Körper ihn im Stich ließ und er Lydia dennoch Befriedigung verschaffen wollte. Walter brachte seine Hände ins Spiel.
Am dritten Tag nach Lydias Rückkehr kam die Frage auf, was mitdem Au-pair geschehen sollte. Wurde sie noch gebraucht? Für welche Aufgaben? War Lydia wieder so weit, ihre Aufgaben als Haushälterin, Wäscherin, Köchin und Mutter zu übernehmen? War es ratsam, wenn sie sich gleich wieder in all das stürzte, was sie gerade erst in die Erschöpfung getrieben hatte? Und war es dem Au-pair gegenüber fair, sie aus heiterem Himmel zu entlassen, oder war ein schrittweiser Übergang besser? Sollte Diane weiter im Gästezimmer wohnen und im Haushalt und bei der Versorgung der Kinder mithelfen? Konnten sie sich die zusätzlichen Ausgaben leisten?
Walter hielt es für das Beste, sich bei der Frage nach Dianes Verbleiben zurückzuhalten. »Misch dich da nicht ein«, beschloss er. »Überlass Lydia die Entscheidung.« Aber Lydia beharrte auf seiner Teilnahme und ließ ihm keine Ruhe, bis er sich zuletzt gezwungen fühlte, das zu sagen, was er vernünftigerweise sagen musste, auch wenn er es nicht sagen wollte, weil es keine richtige Antwort gab, nämlich dass es für Diane Burroughs Zeit war zu gehen.
Gemeinsam überbrachten sie Diane die Nachricht, indem sie ihr die schlichte und einfache Tatsache erklärten, dass sie kein Au-pair mehr brauchten. Diane nahm die Sache leicht, was Walters Gefühle kränkte, und versicherte den Cousins unbekümmert, sie habe nichts anderes erwartet: »Mum ist wieder daheim, aber klar doch. Meine Aufgabe ist erledigt.« Lydia umarmte Diane, sagte ihr, wie dankbar sie für ihren »außergewöhnlichen und wunderbaren Umgang mit den Kindern« sei, lobte sie für alles, was sie der Familie Gutes getan habe, und versicherte Diane, dass sie bei ihnen bleiben könne, bis sie, wie Lydia sich ausdrückte, konkrete Pläne für »die nächste aufregende Phase in ihrem jungen Leben« gefasst habe. Die ganze Zeit über hielten sich beide in den Armen, drückten sich und massierten einander den Rücken, während Diane über Lydias Schulter hinweg Walter auf eine Art angrinste, als machte sie sich über seine Frau lustig, ihre Lippen zu einem Kussmund formte und ihm zuletzt ihre glänzende Zungenspitze herausstreckte. Walter sah dem kindischen Theater mit bitterem Bedauern zu. Dann drückte Diane Lydia noch fester an sich, starrte Walter unverfroren an und sagte: »Für mich war die Zeit als Au-pair in ihrem Haus wahnsinnig aufregend. Aber Siehaben recht, Mrs Cousins. Ich bin gespannt auf das, was als Nächstes kommt.«
Was als Nächstes kommen sollte, zeigte sich gegen Ende des Sommers, als Diane nur noch in Walters sexuellen Phantasien vorkam, mit denen er sich beim Beischlaf mit Lydia in Stimmung brachte. Eines Morgens rief sie ihn im Büro an und sagte: »Halt dich fest. Ich bin schwanger.«
Walter saß aufrecht an seinem Schreibtisch. Er war mitten in einer Kosten-Nutzen-Rechnung für ein zeitgebundenes Bauspardarlehen und wollte die Zahlen rasch weiterleiten, aber das war jetzt unerheblich: Diane war schwanger. Und, so musste er annehmen, sie hatte ihn als den Vater ausgemacht. Aber war er das auch? Konnte es nicht irgendein anderer Kerl sein? Walter sah über die Trennwand seiner Arbeitsnische hinweg, ob jemand mithören konnte. Links neben ihm saß Duane Keene und kaute auf dem Bügel seiner Brille herum. Zu seiner Rechten hockte Rick Lubovich mit hängenden
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