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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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einfach untätig herumsitzen. Ich muss es wissen, undwenn auch nur aus diesem einen Grund. Der Hubschrauber ist gelandet, ich muss los. Ich liebe dich.«
    Kaum saß er neben Guido angeschnallt im Cockpit der Citation X, eines Flugzeugs, das er selbst nicht fliegen konnte, war Ed auch schon über den Wolken, wo es keinerlei Anzeichen der Flutkatastrophe gab, nur die gleißende Sonne und den südlichen Horizont. »Ich platze mal gerade dazwischen, Kumpel«, sagte Guido. »Darf ich ›Kumpel‹ zu Ihnen sagen? Ich weiß, ich sollte vielleicht im Augenblick besser meinen Mund halten, was ich sonst auch mache, weil ich der Pilot bin, aber …«
    »Sei ruhig, Guido. Fang gar nicht erst an. Nur zu deinem eigenen Vorteil.«
    »Na schön, Boss«, sagte Guido, »kein Wort mehr.« Dann konzentrierte er sich auf seine Aufgabe.
    Als sich die Tür im sonnigen, drückend heißen Santa Barbara öffnete, stand Si bereits wartend im Trenchcoat und mit einer Plastikbrille auf der Nase an der Rollbahn, die gewünschten Kisten neben sich. »Ich verstehe vollkommen«, sagte er, als Ed die Gangway hinunterkam. »Ich soll bitte keine einzige Frage stellen. Aber hast du etwas Zeit? Möchtest du einen Drink oder einen Kaffee? Mittagessen vielleicht – oder bist du in Eile?«
    »Ich bin in Eile.«
    »Nur eine Frage dann – alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja.«
    »Und mit Diane?«
    »Ebenfalls.«
    »Keine Katastrophe in der Firma?«
    »Simon«, sagte Ed.
    »Ich meine, wann hast du das letzte Mal so etwas gemacht?« Si deutete mit dem Daumen zum Heck des Flugzeugs, wo die Kisten bereits verladen wurden. »Ganz plötzlich kommst du wegen ein paar Kisten hierher und willst dir alte Unterlagen anschauen. Du musst zugeben, das ist noch nie vorgekommen.«
    »He«, sagte Ed, »die packen alles in den Frachtraum. Ich will’s vorne haben.« Er zeigte mit den Fingern auf die Kabine. »Pronto, und zwar alles. Ich will es mir auf dem Rückflug ansehen.«
    Die Arbeiter wurden instruiert und die Kisten flugs nach vorne verladen. Ed sagte: »Simon, ich habe keine Zeit. Ich kann nur sagen, ich bin ein Scheißkerl, okay? Ich bin ein Scheißkerl, aber vielleicht kann ich es dir später erklären. Im Moment bin ich einfach nur ein Scheißkerl. Ich weiß das.«
    »Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, was gewesen ist.«
    »Ich bin ein Scheißkerl«, sagte Ed. Er stieg die Gangway hinauf, drehte sich um und winkte. »Ich bin ein Scheißkerl«, wiederholte er. »Lassen wir es dabei. Fürs Erste. Wir sehen uns später. Ich muss los.«
    Simon zuckte mit den Schultern. »Komm vorbei, wenn du etwas mehr Zeit hast«, sagte er. »Wenn’s weniger verrückt zugeht und du nicht gleich wieder losmusst.« Er schob die Hände in die Taschen seines Trenchcoats. »Wir können reden«, sagte er. »Wir können … rumhängen. Wir können, was weiß ich, uns über Gott und die Welt unterhalten.«
    Ed winkte noch einmal, schloss die Tür und legte den Hebel um. »Startklar«, sagte er zu Guido. »Auf geht’s.«
    Guido startete die Maschine. Noch bevor sie in der Luft waren, hatte Ed schon die erste Kiste geöffnet. Obenauf lagen Dans Führerscheine, ein ganzes Päckchen, chronologisch geordnet und von einem Gummi zusammengehalten. Auf jedem Passfoto sah Dan genauso aus wie Simon. »Nicht jetzt«, dachte Ed. »Bleib bei deinen Vorsätzen. Mit Simon und Dan kannst du dich später beschäftigen.« Ed blätterte durch einige Steuerunterlagen. Gewiss, Dans Einnahmen und Ausgaben waren interessant, genau wie seine unbeirrt dilettantischen Aktiengeschäfte, aber alles das konnte warten. Jetzt ging es darum herauszufinden, wer Eds Eltern waren. Als die Cessna abhob und in den Himmel stieg, blätterte Ed durch Dans Praxiskalender, die Alice wie so vieles andere verwahrt hatte, weil sie Dans Leben dokumentierten. Wenn sie ihn schon nicht am Leben erhalten konnten, dann wenigstens in Kisten behalten. »Traurig«, dachte Ed, »aber mach weiter.«
    Bei fünfzehntausend Meter Reiseflughöhe sah sich Ed Dans Terminkalender genauer an. Jedes Jahr im April waren einige Tage mit »CAL« markiert, worin Ed die Fahrten mit dem Wagen nach Kalifornien wiedererkannte, die sie bis 1969 unternommen hatten, zum Passahfest beiihren sonnenverbrannten Verwandten in L. A. und mit einem Abstecher zu Pop in die Bay Area. Auf ihren Ausflügen hatten sie immer … Aber das war jetzt nebensächlich. Ed suchte nach den Aufzeichnungen von 1963, vermutlich dem Jahr seiner geheimen Adoption. Dans Notizen und

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