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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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Er setzte eine Anzeige in die Zeitung: 66er GTO, schwarz, neue Lackierung, Schalensitze, Hurst-Schaltung, Top-Zustand, Klimaanlage, Vierfachvergaser, 6379 cm 3 , wenig gelaufen. Der Verkaufspreis war niedrig, weil er den Wagen unbedingt loswerden wollte. Am Freitag bekam er ein halbes Dutzend Anrufe und schlug am Samstagmorgen gleich beim ersten Angebot ein. Um halb eins parkte er Alice’ Peugeot neben dem Bleitz Funeral Home und beobachtete die Trauergäste auf dem Weg in die Kapelle. Ein weißer, auf Hochglanz polierter Leichenwagen wartete bereits in der Florentia Street, um den Sarg aufzunehmen und Walter Cousins zu seiner letzten Ruhestätte zu bringen. Ed sah, wie der Fahrer, geschniegelt und gestriegelt, einmal um den Wagen herumging, vielleicht um den Reifendruck und die Politur zu überprüfen. Die Trauergäste trugen Sommerkleidung in dunklen Farben und hatten ihre Fahrzeuge, wie Ed bemerkte, alle vorschriftsmäßig zwischen den weißen Linien geparkt. Ed entschied, dass der Mann, den er getötet hatte, ein solides bürgerliches Leben geführt hatte, denn alle fuhren gepflegte Neuwagen und keiner trug irgendetwas, an dem einer der Anwesenden hätte Anstoß nehmen können. Die Trauergäste bewegten sich gemessenen Schrittes vom Parkplatz zum Eingang der Kapelle. Sie gingen aufeinander zu, umarmten sich, fassten sich an den Schultern, schüttelten Hände und gingen in vertrauten Grüppchen durch die Tür. Wenn es einen schönen Tag für eine Beerdigung geben konnte, so war dies zweifellos einer – nicht so warm, dass die Hinterbliebenen schwitzen mussten, aber auch nicht so kühl, dass sie vor dem Grab kalte Füße bekommen würden und sich wünschten, die Veranstaltung wäre schneller vorbei. Ed machte sich klar, dass es jeden Tag Zusammenkünfte wie diese gab und Leute an Beerdigungen teilnahmen, nur gehörte dies bisher nicht zu seiner Welt. Er war noch nie auf einer Beerdigung oder in einer Leichenhalle gewesen, und das einzige Mal, dass er auf einem Friedhof war, war mitten in der Nacht mit ein paar Freunden gewesen, die wie er betrunken waren. Ed hatte sich unwohl gefühlt, als er seine Kumpel lachend auf Gräber hatte pinkeln sehen, aber er hatte nichts gesagt, obwohl er ihnen gerne etwas über Respekt gegenüber den Toten und allgemeinen Anstand erzählt hätte. Tatsache war, selbst als er fast jede Nacht mit diesen Verlierertypen unterwegs gewesen war, hatte er keine Nähe zu dem verspürt, was er für ihre Weltsicht hielt, oder auch zu der Art, wie sie sich aufführten. Jetzt aber, nachdem er einen Mann von der Straße gedrängt und dabei getötet hatte, konnte er sich schwerlich für etwas Besseres halten, oder? Genau genommen war er sogar noch schlimmer als sie.
    Ed fuhr los und warf einen traurigen Blick auf den Evergreen-Washelli Cemetery. Er parkte den Peugeot und lief zwischen den Gräbern herum, bis der weiße Leichenwagen an der Spitze einer Fahrzeugkolonne durch das Eingangstor fuhr. Während er so tat, als besuchte er das Grab eines eigenen Angehörigen, stand er unweit von Walter Cousins’ Grab, um das Geschehen genau zu verfolgen. Eine Frau, die Walter Cousins’ Ehefrau sein musste, stand mit zitterndem Kinn neben seinem Sarg, die obere Gesichtshälfte von einem schwarzen Hut verhüllt. Zu ihrer Rechten, den Arm fest bei ihrer Mutter untergehakt, Walter Cousins’ Tochter, zwar nicht mit zitterndem Kinn, aber mit einem starren, ebenso schmerzvollen Gesichtsausdruck. Links von Mrs Cousins ein Skinhead in schwarzem Mantel und Schlips, der wie ein Prediger zum Himmel starrte und mit roten Augen und roter Nase weinte. Das musste Walter Cousins’ Sohn sein, der seiner Aufgabe als verbliebene männliche Stütze der Familie im Augenblick nicht gewachsen war. Ed machte es ihm nicht zum Vorwurf. Sein Vater war tot. Jeder der Anwesenden hatte Grund, sich elend zu fühlen.
    Zur Trauergesellschaft gehörten auch ein Kreuz- und mehrere Kerzenträger. Am frisch ausgehobenen Grab, vor Kopf, stand ein Priester oder Pastor – Ed kannte sich da nicht so genau aus –, jedenfalls ein Kirchenmann in schwarzem Talar und weißem Kragen, der sagte: »Im Anschluss an die Beisetzung sind alle hier Anwesenden in das Haus der Cousins zu einem Imbiss zum Gedenken an den Verstorbenen eingeladen.« Das darauffolgende Ritual war überraschend kurz. Der Priester las aus einem Gebetbuch, während der Sarg in die Erde hinabgelassen wurde. Dann reichte er das Gebetbuch an jemand anders weiter, nahm eine Schaufel

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