Ed King

Unfallort.
    Im Wagen waren keine weiteren Insassen. Der Name des Verunglückten wurde noch nicht mitgeteilt.
    Ed kopierte den Artikel und fuhr damit zu Tracy. Sie gingen auf ihr Zimmer und schlossen die Tür. Sie las ihn, zuckte mit den Schultern und gab ihn Ed zurück. »Du kommst schon drüber weg«, sagte sie.
    Ed antwortete nicht, weil ihm ihre Reaktion einen Schauer über den Rücken jagte, aber er wollte keinen Streit mit dem Mädchen, das sonst alles für ihn machte. Ihre Hauptbeschäftigung in diesem Sommer warSex am helllichten Tag gewesen, weil Tracys Mutter erst um sechs von der Arbeit kam, ihren kleinen Bruder nichts weniger interessierte und ihr Vater nicht bei ihnen lebte. In Tracys Haus hatte nur das gezählt, was in ihrem Zimmer vor sich ging. Er hatte dort jede Stunde genossen und sich wie der König der Welt gefühlt.
    An diesem Tag jedoch lag er angezogen auf Tracys Bett und redete über den Unfall. »Ich hab den Kerl umgebracht«, sagte er immer wieder.
    »Und jetzt flippst du deswegen aus«, erwiderte Tracy.
    Am Nachmittag schlief Ed mit ihr, aber er war nicht richtig in Stimmung. Wie sollte er sich mit einem Mädchen vergnügen, das so abgebrüht über einen Mord dachte? Das einen umklammerte, stöhnte, grunzte und knutschte, als sei nichts gewesen? Dennoch machte Ed weiter, aber je mehr er über Tracys bleichem Körper und dem rhythmischen Auf und Ab ihres schmalen Brustkorbs in Fahrt kam, desto elender fühlte er sich.
    Am nächsten Tag erschien im Spokane Spokesman-Review ein Artikel unter der Schlagzeile: »Tödlicher Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit.«
    Ein Mann aus Seattle kam am Sonntagmorgen in Whitman County bei einem Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit ums Leben.
    Walter M. Cousins, 51, verstarb noch an der Unfallstelle, nachdem sein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen war. Cousins war in westlicher Richtung auf der Zaring Cut-Off Road in der Nähe von Pullman unterwegs.
    Weder der Sheriff von Whitman County noch die Bundespolizei können mit Sicherheit sagen, wie schnell Cousins fuhr oder ob noch andere Faktoren zu dem Unfall geführt haben.
    Ein Spezialteam zur Unfallaufklärung der Bundespolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.
    Auch diesen Artikel nahm er mit zu Tracy. Wieder lagen sie auf dem Bett und redeten über die Ereignisse bei Pullman, das heißt, Edredete darüber, während Tracys Bruder auf der anderen Seite des Flurs ein Schlagzeug bearbeitete. »Warum habe ich das getan?«, fragte Ed.
    »Ach, komm schon.«
    »Was ist nur in mich gefahren?«
    »Komm, Ed. Lass uns ficken.«
    Aber er hatte keine Lust auf Sex. Wieder und wieder las er den Artikel. Entnervt griff Tracy nach einem Taschenbuch, dessen Umschlag ein Ghul auf einem Friedhof zierte. »Wie kannst du so ein Zeug lesen?«, fragte er.
    »Das hier?«
    »Wer lässt solche Bilder in seinen Kopf?«
    »Es ist doch bloß eine Geschichte«, sagte Tracy.
    Am Mittwoch brauchte Ed nicht zur Bücherei, weil Dan und Alice den Seattle Post-Intelligencer abonniert hatten, in dem Walter Cousins’ Nachruf erschien. Ed überflog kurz die Schlagzeile – HO CHI MINH TOT –, dann blätterte er rasch zum Lokalteil weiter und las:
    Walter Monty Cousins aus Seattle, 51, starb am 28. August in Whitman County an den Folgen eines Autounfalls. Geboren wurde er 1928 in Ames, Iowa, als jüngstes Kind von Wesley und Barbara Cousins. Er war stolzer Schüler der North Ames High School, mit deren Football-Mannschaft er zweimal die Meisterschaft gewann, 1945 und 1946. Er besuchte die Iowa State University, heiratete 1957 Lydia Wallach und begann kurz darauf eine 22-jährige Karriere bei Piersall-Crane, Inc., einem Unternehmen für Versicherungsstatistik. 1958 zogen Walter und Lydia nach Seattle, wo im selben Jahr ihr Sohn Barry und im folgenden Jahr Tochter Tina zur Welt kamen. Walters besondere Vorliebe galt dem Sommerhaus der Familie auf San Juan Island, wo er Haus und Garten in Schuss hielt. Er war ein ausgezeichneter Golfspieler und las in seiner Freizeit gerne. Walter hinterlässt seine Frau Lydia, mit der er 22 Jahre verheiratet war, seinen Sohn Barry, seine Tochter Tina, die Brüder Jack, Joe und Bill sowie seine Schwester Caroline. Die Gedenkfeier findet am Montag, 6. September, um 13 Uhr im Bleitz Funeral Home, 316 Florentia Street, statt. Anschließend erfolgt die Beisetzung auf dem Evergreen Washelli Cemetery.
    Ed beschloss, Tracy nicht anzurufen – sie überhaupt nicht mehr anzurufen.