Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
ist etwas eingefallen, das Ihnen vielleicht weiterhelfen kann.«
»Geht es um seinen toten Onkel?«, fragte ich.
»Ja, es geht um seinen Onkel, und je eher Sie es erfahren, desto besser.«
Ich sagte ihr, ich hätte gerade Zeit, und gab ihr meine Adresse. Sie wollten sofort aufbrechen. Ich fuhr zu einer Reinigung an der Seafield Road und gab meine Kleidertasche ab. Dann kaufte ich Whisky und Bier in einem Getränkeladen und ein paar kalte Vorspeisen in dem schicken Feinkostgeschäft. Auf dem Heimweg klingelte mein Handy wieder, diesmal, um mir mitzuteilen, dass ich zwei Nachrichten auf der Mailbox hätte.
Nachricht Nummer eins: »Ed Loy, hier ist Gemma Courtney. Ich habe heute Abend von neun bis Mitternacht Zeit und würde Sie liebend gern treffen. Rufen Sie mich an, dann vereinbaren wir eine genaue Zeit.«
Nachricht Nummer zwei: »Ed, was kann ich sagen wegen Podge, da muss ich wirklich was unternehmen. Aber nichts für ungut, ja? Wollte dich für morgen zum Frühstück im Royal Seafield Club einladen. Ich habe so das Gefühl, dass der Stadtrat heute Abend die richtige Entscheidung trifft, das können wir morgen gebührend feiern. Keine Sorge, Podge wird nicht da sein. Komm vorbei, es soll dir nicht Leid tun.«
Als ich in meine Einfahrt einbog, sah ich Caroline Daggs silbernen Jeep auf dem Bürgersteig. Dagg hielt für den kurzen Weg zum Haus einen Golfschirm über seine Frau. Wir drängten uns ins Wohnzimmer und standen dann betreten herum, während ich die Sache mit den Möbeln erklärte. Rory Daggs Gesichtsausdruck bewegte sich irgendwo zwischen verlegen und verschlagen: Er ließ den Kopf hängen und seine Frau reden. Caroline Dagg trug ein dunkelblaues Kostüm, rosa Lippenstift und Lidschatten, und ihre überartikulierten Sätze kamen hinter einem verkrampften Lächeln hervor, das mir das Gefühl gab, sie schimpfte mich aus.
»Rory ist … ich will natürlich nicht für meinen Mann sprechen, Mr. Loy, ich will nur sagen, dass Rory Ihnen, wie ich glaube, erzählen möchte … herrje, ich kann es wirklich nicht lassen!«
Sie stieß ein perlendes, freudloses Lachen aus. Rory Dagg hielt den Blick auf den abgetretenen Teppich gerichtet.
»Also, ich will nur sagen, Rory hat sich geirrt, als er gesagt hat, sein Onkel sei tot. Er ist noch am Leben, und Rory … also, Rory weiß, wo er ist, in einem Pflegeheim nämlich, stimmt’s, Rory?«
Dagg brummte nur.
»Der arme Mann. Und was Rory Ihnen, glaube ich, vor allem sagen möchte, es geht ja gerade darum, dass man es zugibt, es ist schließlich ein offizielles Programm, man hält sein Vorhaben vor niemandem geheim … deshalb hat er wohl auch Probleme gehabt, ehrlich von seinem Onkel zu erzählen und von seiner Herkunft, weil … Rory?«
Sie sah ihn an, lächelte, nickte ihm zu und machte auffordernde Gesten, wie eine Lehrerin, die ein störrisches Kind dazu bringen will, sich zu entschuldigen. Dagg hob den Blick nicht vom Boden, aber er hatte die zitternden Hände zu Fäusten geballt.
»Das soll er Ihnen jetzt selbst sagen. Es ist nichts, wofür man sich schämen müsste, das lässt sich alles ganz wunderbar behandeln. So! Da haben Sie’s! Ich muss jetzt die Kinder bei einer Freundin abholen, die bestimmt bald keine Freundin mehr ist, wenn sie noch lange meine drei zusätzlich zu ihren beiden ertragen muss. Also lasse ich euch Jungs jetzt mal allein, dann könnt ihr alles besprechen, ja?«
Rory Dagg erwiderte den besorgten Blick seiner Frau nicht. Ihre krampfhafte Fröhlichkeit hing wie Rauch zwischen ihnen. Sie warf mir einen raschen Blick zu, mit hochgezogenen Augenbrauen, als hätte sich ihr Mann inzwischen mit dem Gärtner verbündet, um ihre schier unerschöpfliche Geduld auf die Probe zu stellen. Dann schenkte sie mir ein unglaublich tapferes Lächeln und verschwand.
Dagg rührte sich nicht, bis er hörte, wie draußen der Jeep angelassen wurde. Er trat ans Fenster und sah zu, wie seine Frau durch den Regen davonsegelte, hoch über dem Erdboden in ihrem silbernen Gefährt. Dann schaute er mich an, und seine Miene wirkte verärgert und peinlich berührt zugleich.
»Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ich Alkoholiker bin«, sagte er. »Das ist offenbar leichter, als anzuerkennen, dass wir uns einfach nicht mehr lieben.«
»Dann wollen Sie sicher einen Drink?«, fragte ich.
»Worauf Sie einen lassen können«, sagte er.
Wir tranken Jameson und spülten mit Guinness nach, und ich merkte, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Auf dem
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