Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
Hand hatten, und auch nicht, dass ich Tommy gefunden und ihn außer Landes gebracht hatte. Ich schlug ihm nur vor, bei Gelegenheit einen Blick ins alte Fährhaus zu werfen, und beließ es dabei.
Der Polizist, der mir folgen sollte, ließ quer über den Parkplatz die Scheinwerfer aufleuchten. Ich sagte Dave, ich müsse langsam los, und er nickte, rührte sich aber nicht vom Fleck.
»Ich weiß nicht, ob das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, Ed … Ich kann mir denken, dass du die Sache gern vom Tisch hättest, egal wie, aber … na ja, wir haben unseren Betonleichnam identifiziert. Fitzhugh, der Schneider in der Capel Street, hatte noch Aufzeichnungen von vor dreißig Jahren. Es ist nicht dein Vater. Der Mann hat in der Nähe der South Circular gewohnt und heißt Kenneth Courtney.«
Zweiundzwanzig
Ich gab dem Polizisten meinen Pass und sah ihm nach, als er wegfuhr, dann stellte ich mich ans Küchenfenster und schaute in den Regen hinaus. Er schäumte auf den vergammelten Fensterbrettern, prasselte glitzernd auf die Steinplatten des Gartenwegs und tränkte das vertrocknete Gras, er wusch den Staub einer langen Trockenperiode von den harten grünen Früchten der beiden Apfelbäume. Als Kind hatte ich immer geglaubt, der männliche und der weibliche Baum würden aufeinander zu wachsen, ihre Zweige würden sich eines Tages berühren. Jetzt schien mir das nicht mehr sehr wahrscheinlich. Lindas Duft an mir war stärker geworden: die Grapefruit-Note, das feuchte Moschusaroma, ihr ganzer betörender, süßer, salziger Geruch. Immer wieder drehte ich mich um, weil ich glaubte, sie stünde hinter mir. Mein Blut wollte nicht begreifen, dass sie nie mehr wiederkommen würde. Schließlich ging ich in den Regen hinaus und blieb zwischen den Apfelbäumen stehen, bis ich nichts mehr roch als weiche, feuchte Erde und nasse Steine. Es dauerte eine Ewigkeit.
Dann ging ich ins Haus zurück. Ich nahm eine heiße Dusche und zog mich um. Draußen war es dunkel. Obwohl es erst vier Uhr war, hatte man den Eindruck eines Novembernachmittags. Es gab keine andere Sitzgelegenheit als die Treppenstufen, also setzte ich mich dorthin und sah Peter Dawsons Telefonverbindungen durch. Zwei Details sprangen mir sofort ins Auge: Das eine war ein Anruf bei George Halligan, vom Handy aus, um 21 Uhr 57 am Freitagabend, dem Abend, an dem Peter zum letzten Mal lebend gesehen worden war. Es war sein letzter Anruf gewesen. Das zweite war eine Ziffernfolge: 3459, die letzten vier Zahlen einer Handynummer mit der Vorwahl 086, die Peter in den letzten paar Monaten häufig angerufen hatte, das letzte Mal nur wenige Tage vor seinem Tod. Ich verglich sie mit den Nummern, die ich in meinem Handy gespeichert hatte, aber sie war nicht darunter. Dann sah ich mir nochmal an, was hinten auf dem zerrissenen Foto von meinem Vater und John Dawson stand:
»ma Courtney
3459«.
Ich wählte die Nummer und landete bei einer Mobilbox: Eine jugendliche Frauenstimme mit breitem Dubliner Akzent stellte sich als Gemma vor und forderte mich auf, Namen und Telefonnummer zu hinterlassen, was ich auch tat. Als ich auflegte, hörte ich mein Herz klopfen. Selbst wenn das kein Durchbruch war, war es doch sehr nahe dran. Bei diesem Fall kam der Durchbruch nicht von selbst. Ich konnte mir keine weiteren Fehler leisten, und das hieß vor allem, dass ich den Halligans aus dem Weg gehen musste. Zweimal hatte ich ihnen einen Vorteil verschafft, und beide Male hatten sie mich dafür bestraft. Beim dritten Mal würde ich nicht so einfach davonkommen.
Ich zog mein Handy heraus und stellte fest, dass es ausgeschaltet war. Ich schaltete es ein und aktivierte die Tastensperre. Dann wartete ich auf Gemma Courtneys Rückruf, aber neben dem Telefon zu sitzen ist bekanntlich schlecht fürs Gemüt. Also rief ich über das Festnetz bei der Auskunft an, ließ mir die Nummer einer Abfallentsorgungsfirma geben und bestellte einen Container für die kaputten Möbel, die die Garage blockierten. So viel Regen tat einem Wagen von 1965 sicher nicht allzu gut. Gerade als ich dabei war, eine Tasche mit Kleidern zu packen, die in die Reinigung mussten, klingelte mein Handy. Es war eine Frau, allerdings nicht die, auf die ich wartete.
»Ed Loy? Hier ist Caroline Dagg, erinnern Sie sich? Die Frau von Rory Dagg.«
Ich erinnerte mich sehr gut, auch wenn sie diesmal ganz anders klang: lebhaft, munter und resolut.
»Mr. Loy?«
»Ja, ich höre.«
»Rory würde gern mit Ihnen reden, Mr. Loy. Ihm
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