Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut
beantrage eine.«
»Hätten Sie darüber nicht nachdenken sollen, bevor Sie überall Ihre Nase reinstecken?«
»Habe ich ja.«
»Wie bitte?«
»Habe ich getan. Ich habe bei der Private Security Authority angerufen, der Organisation, die hier für die Branche zuständig ist … beziehungsweise zuständig sein wird, wenn man dort sämtlichen Ausschüssen Bericht erstattet und sich grundsätzlich entschieden hat, wie man das anstellen will. Bis dahin gibt es in diesem so genannten Rechtsbezirk keine Lizenz für Privatdetektive. Aber das wissen Sie sicher längst, nicht wahr?«
Geraghty starrte mich einen Moment lang mit drohend funkelnden Augen an, dann warf er den Kopf in den Nacken und schnaubte wie ein Stier – ob vor Lachen oder vor Wut, konnte ich nicht sagen.
»Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«, fragte O’Sullivan.
»Ich bin hingefallen«, sagte ich.
»Hingefallen?«, wiederholte Geraghty und brachte sein höhnisch grinsendes Gesicht ganz dicht an meines heran.
»Genau. Und was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«, fragte ich.
»Haben Sie Linda Dawson umgebracht?«, brüllte er.
»Nein, und das wissen Sie genau.«
»Sie sind ja bestens darüber informiert, was ich weiß und was ich nicht weiß.«
»Woher sollen wir wissen, dass Sie es nicht waren?«, fragte O’Sullivan.
Ich musterte sie, wie sie mir da gegenübersaßen: Geraghtys blutunterlaufene graue Augen, die weit aus den Höhlen traten, O’Sullivans müde blaue Augen, die mich interessiert und aufmerksam betrachteten. Ich konnte nicht sagen, ob sie mich ernsthaft verdächtigten oder nicht.
»Erstens habe ich kein Motiv. Zweitens wäre ich damit niemals durchgekommen. Und drittens …«
Meine Stimme versagte. Vielleicht, weil mich die Gefühle überwältigten, vielleicht aber auch, weil ich selbst nicht glauben konnte, was mir auf der Zunge lag. Wollte ich diesen Bullen ernsthaft erzählen, dass ich Linda nicht umgebracht haben konnte, weil ich sie liebte? Was würden sie sich darüber kaputtlachen in ihrer Bullenkneipe. Sie würden es als lustige Anekdote in der Bullenschule erzählen. Denn der Hauptverdächtige ist immer der Ehemann, immer der Liebhaber. Und immer sagt er: Aber ich habe sie doch geliebt. Geraghty grinste. Er wollte es hören.
»Und drittens?«, fragte er höhnisch.
»Sie hatten eine Liebesbeziehung mit Linda Dawson?«, sagte O’Sullivan.
»Ja, ich … wir standen noch ganz am Anfang.«
Mach, dass du von dem Thema wegkommst, Loy, dir bleibt später noch genug Zeit, über das zu trauern, was hätte sein können. Jede Menge Zeit.
»Ist Linda selbst gefahren, oder hat sie ein Taxi genommen?«, fragte ich. »Vom Hotel aus.«
Keiner von beiden antwortete.
»Wenn sie nämlich selbst gefahren ist, sollten Sie Ihre Ermittlungen erst mal darauf konzentrieren, den Wagen zu finden. Sie fuhr ein rotes Audi Cabrio, das war nicht da, als ich bei ihr ankam, und es stand auch nicht in der Garage, als ich gegangen bin. Es besteht also die Möglichkeit, dass der Mörder damit weggefahren ist.«
»Und wie ist der Mörder dorthin gekommen? Zu Fuß?«
Ich zuckte die Achseln. »Hey, ich hab nicht mal eine Lizenz. Sie sind hier zuständig in diesem so genannten Rechtsbezirk.«
Geraghtys Augen blitzten wütend. O’Sullivan schenkte mir ein dünnes Lächeln. Er nahm mein Aussageprotokoll in die Hand und klopfte damit zwischen uns auf den Tisch.
»Wir haben mit dem Hotelmanager und mit Mrs. Preston in Fagan’s Villas gesprochen. Beide bestätigen Ihre Aussage. Und dann ist da natürlich noch die SMS, die Linda Ihnen geschickt hat.«
»Er kann es trotzdem gewesen sein«, sagte Geraghty.
Ich schaute von einem zum anderen.
»Stimmt«, sagte ich zu Geraghty. »Ich habe vier Minuten gebraucht, um von Mrs. Burkes Haus zu Linda zu fahren. Als ich dort ankam, war sie tot. Aber sie könnte natürlich noch am Leben gewesen sein. Und ich könnte sie erwürgt haben, während die Martinshörner schon näher kamen. Technisch gesehen bin ich also verdächtig. Aber richtig überzeugend ist das alles nicht, oder?«
»Was können Sie uns über Peter Dawsons Tod sagen?«, fragte O’Sullivan.
»Ich gebe alles, was ich herausfinde, an Detective Sergeant Donnelly weiter«, sagte ich.
»Von wegen«, fauchte Geraghty.
Eine Zeit lang saßen wir da und schwiegen. Ich überlegte, ob Geraghty mich tatsächlich nicht ausstehen konnte oder ob das nur Show war und ob O’Sullivan so gequält schaute, weil ihm Geraghtys Verhalten unangenehm war oder weil
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