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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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hinunter.
    Als sie unten ankamen, sank Gable auf die Knie.  
    »Oh nein!«, stöhnte Natty. »Ich glaube, er macht ihr schon wieder einen Antrag.«
    »Das kann nicht sein«, sagte ich. »Nicht hier.«
    »Doch! Guck, er hat ein kleines Schmuckkästchen aus seiner Tasche geholt«, sagte Natty.
    »Romantisch«, bemerkte Noriko. »So romantisch.« Ich nehme an, es sah wirklich romantisch aus, wenn man die Hintergründe nicht kannte.
    »Die arme Scarlet«, sagte ich. »Das muss ihr so peinlich sein.«
    In dem Moment brandete Jubel in der Turnhalle auf. Wir saßen ziemlich weit hinten und konnten Scarlet und Arsley nicht sehen. »Moment«, sagte ich. »Was ist da passiert?« Ich stand auf.
    Scarlet und Gable küssten sich. Er hatte die Arme um sie gelegt.
    »Vielleicht bringt sie es ihm ganz schonend bei«, schlug ich vor. Doch noch während ich das sagte, wusste ich, dass es nicht stimmte.
    Als die Zeugnisübergabe vorüber war, stürzte ich nach vorne, um Scarlet zu suchen, doch sie war bereits weg. Ich entdeckte sie mit ihren Eltern draußen. Sie standen mit Gable Arsleys Mutter und Vater in einem Zirkel zusammen. Ich griff nach Scarlets Hand und zog sie fort.
    »Was ist in dich gefahren?«, fragte ich, sobald ich sie für mich hatte.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Annie. Ich wusste, was du sagen würdest, aber … Jetzt, wo das Baby bald kommt, bin ich einfach schwach geworden.« Sie seufzte. »Ich bin zermürbt. Ich musste sogar in flachen Schuhen zur Abschlussfeier gehen! Kannst du dir vorstellen, ich in …«
    »Ich habe doch gesagt, dass du bei uns wohnen kannst!«
    »Kann ich das wirklich? Das ist ein liebes Angebot, Annie, aber ich glaube nicht, dass das wirklich ginge. Leos Frau ist jetzt da. Und Leo kommt auch bald zurück. Da ist kein Platz für mich und ein Baby.«
    »Doch, da ist Platz, Scarlet! Ich mache Platz.«
    Sie sagte nichts mehr. Selbst mit flachen Schuhen war sie größer als ich. Sie blickte über mich hinweg, schien aber nichts Konkretes anzusehen, sondern einfach nur
nicht mich
. Ihr Gesichtsausdruck war unbeteiligt, ihr Mund entschlossen.
    »Scarlet, wenn du ernsthaft Gable Arsley heiratest, können wir keine Freundinnen mehr sein.«  
    »Übertreib nicht so, Annie! Wir werden immer Freundinnen sein.«
    »Nein, werden wir nicht«, beharrte ich. »Ich kenne Gable Arsley. Wenn du ihn heiratest, ruinierst du dein Leben.«
    »Tja, dann ist es halt ruiniert. Es ist jetzt schon ruiniert«, sagte sie ruhig.
    Gable trat zu uns. »Ich nehme an, du willst uns gratulieren, Anya.«
    Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ich weiß nicht, was du ihr vorgemacht hast, Gable. Was du mit ihr angestellt hast, damit sie ihre Meinung ändert.«
    »Hier geht’s gar nicht um Scarlet. Es geht nur um dich, Anya. So wie immer«, sagte Gable gelassen.
    Nicht zum ersten Mal hätte ich ihm am liebsten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Da spürte ich Nattys Hand in meiner.
    »Komm, wir gehen«, flüsterte sie.
    Mein Unterkiefer wackelte wie ein dreibeiniger Hocker, doch ich weinte nicht.
    »Anya, wir sind keine Kinder mehr!« sagte Scarlet.
    In dem Moment hasste ich sie – für die Anspielung, ich hätte etwas gegen ihre Hochzeit mit diesem gestörten Typ, weil ich irgendwie zurückgeblieben und jämmerlich in der Kindheit verhaftet sei. Als wäre ich nicht schon vor Jahren gezwungen gewesen, alles Kindliche hinter mir zu lassen. »Weil wir einen Schulabschluss gemacht haben oder weil du dich hast schwängern lassen?« Schon als ich es sagte, wusste ich, dass es gemein war.
    »
Wir
haben keinen Schulabschluss gemacht«, rief Scarlet zurück. »
Ich
habe einen gemacht. Und nur damit das klar ist: meine Stellenbeschreibung lautet nicht ›Offizielle beste Freundin von Anya Balanchine‹!«
    »Dann wärst du auch längst gefeuert!«
    »Also«, sagte Natty. »Ihr zwei hört jetzt wirklich auf damit! Das ist ja schrecklich.« Natty ging zu Scarlet und umarmte sie. »Herzlichen Glückwunsch, Scarlet, zu deiner … ähm … Entscheidung, mit der du bestimmt glücklich bist. Komm, Annie, wir müssen los.«
    Nach der Feier gingen Natty und ich zu einem Brunch im Haus von Wins Eltern. Ich war immer noch erregt wegen meines Streits mit Scarlet und grübelte während des gesamten Essens darüber nach. Vor dem Nachtisch klopfte Wins Vater an sein Glas und erhob sich, um eine Rede zu halten. Charles Delacroix hielt gerne Reden. Ich hatte in meinem Leben schon genug gehört, deswegen verspürte

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