Edelherb: Roman (German Edition)
Unterstützung, Daisy«, sagte Win. »Was sollten die Kakao-Demonstranten deiner Meinung nach am besten tun?«, fragte er mich.
»Ich finde, sie denken in zu kleinen Maßstäben. Sie brauchen Anwälte. Und Geld, viel Geld. Sich mit ungepflegtem Haar und Flugblättern vors Gericht zu stellen bringt rein gar nichts. Sie müssen Anzeigen schalten. Sie müssen die Öffentlichkeit überzeugen, dass man nicht auf Schokolade verzichten muss, dass daran noch nie etwas falsch gewesen ist.«
»Anya, du weißt, dass ich dich immer unterstütze, aber gibt es keine größeren Probleme in der Welt als Schokolade?«, fragte er.
»Weiß ich nicht, Win. Nur weil etwas ein kleines Problem ist, muss man es ja nicht zwangsläufig unter den Tisch fallen lassen. Kleine Ungerechtigkeiten verbergen nur die größeren.«
»Hat das auch dein Vater gesagt?«
Ich verneinte. Das sei meine eigene Erkenntnis, die ich durch Erfahrung gewonnen hätte.
Am Sonntag nach der Kirche ging ich zum Pool, um mit Fats zu sprechen. Sein Bauch war größer geworden, seine Augen waren rot. Ich hatte Sorge, er könne vergiftet worden sein. »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Sehe ich so schlimm aus?« Er schmunzelte und klopfte auf seinen Bauch. »Ich bin ein Stressesser.«
Ich fragte, ob er ein bestimmtes Problem habe.
Er schüttelte den Kopf. »Nichts, worüber du dir dein hübsches Köpfchen zerbrechen müsstest. Habe abends im Restaurant gearbeitet und tagsüber hier. Sagen wir einfach, es gibt einen Grund dafür, dass Männer in meiner Stellung nicht so lange leben.«
Er unterstrich seine Bemerkung mit einem Lachen, daher nahm ich an, sie sei als Witz gedacht. Ich erinnerte ihn, mein Vater sei ein »Mann in seiner Stellung« gewesen.
»War nicht unhöflich gemeint, Annie. Und, was führt dich her?«, fragte er.
»Ich will dir einen Vorschlag machen«, sagte ich. »Eine Geschäftsidee.«
Fats nickte. »Ich bin ganz Ohr, Mädchen.«
Ich holte tief Luft. »Hast du schon mal von Arzneikakao gehört?«
Er nickte langsam. »Ja, kann sein.«
Ich beschrieb, was ich aus den Gesprächen mit Mr. Delacroix und dem Marktstandbetreiber erfahren hatte.
»Und was ist jetzt die große Idee?«, wollte er wissen.
Erneute atmete ich tief durch. Ich hatte mir nicht eingestehen wollen, wie sehr ich mich meiner Idee schon verschrieben hatte. Bevor Sophia Bitter mir mit der Bibel auf den Kopf schlug, hatte sie gesagt, ich sei die »Tochter einer Polizistin und eines Verbrechers«, die immer mit sich selbst im Clinch liegen würde. Das war eine grausame Bemerkung gewesen, aber zufälligerweise traf sie zu. Sie war grausam,
weil
sie zutraf. Ich spürte es bei jeder inneren Regung, und ich war diese Lebensweise einfach unglaublich leid. Für mich war diese Geschäftsidee eine Möglichkeit, den Krieg in mir zu beenden. »Also, ich habe überlegt, Balanchine Chocolate nicht mehr auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, sondern stattdessen einen Ausgabestelle für Arzneikakao zu eröffnen.« Ich schaute Fats an, um zu sehen, was er von dem Vorschlag hielt, doch sein Gesicht war leer. »Irgendwann vielleicht sogar eine ganze Kette«, fuhr ich fort. »Es wäre alles legal. Wir würden Ärzte engagieren, die Rezepte ausstellen. Vielleicht sogar Ernährungsberater, die neue Verwendungsweisen erfinden. Und wir würden natürlich nur die Schokolade von Balanchine verwenden. Außerdem bräuchten wir reine Kakaomasse, aber ich kenne eine super Quelle, wo wir die beziehen könnten. Wenn die Ausgabestellen erfolgreich sind, könnte sie stark dazu beitragen, die öffentliche Meinung zu ändern und den Gesetzgeber zu überzeugen, dass man Schokolade niemals hätte verbieten sollen.« Ich warf Fats noch einen kurzen Blick zu. Er nickte andeutungsweise. »Ich bin zu dir gekommen, weil du dich sehr gut mit Gastronomie auskennst und natürlich weil du jetzt das Familienoberhaupt bist.«
Fats sah mich lächelnd an. »Du bist ein gutes Mädchen, Annie. Bist du immer gewesen. Und ich merke, dass du verdammt viel Überlegung in diese Idee gesteckt hast. Ist auf jeden Fall eine interessante Sache. Ich freue mich, dass du damit zu mir gekommen bist. Aber ich muss dir sagen, dass das aus Sicht der
Semja
niemals funktionieren wird.«
So einfach wollte ich mich nicht abwimmeln lassen. »Warum soll das nicht funktionieren?«
»Ganz einfach, Annie: Das Unternehmen Balanchine Chocolate ist darauf ausgerichtet, einen Markt zu bedienen, auf dem Schokolade verboten ist. Wenn Schokolade erlaubt
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