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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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doch kam mir nichts über die Lippen. Ich kicherte – ja, ich kicherte – und legte die Hand auf die Brust, um das Pochen meines dummen, hartnäckigen Herzens zu dämpfen. »Win«, sagte ich. »Dein Vater hat die Wahl verloren.«
    Er lächelte, und ich sah seine wunderschönen Zähne. »Ich weiß.«
    »Wenn du ihn siehst, dann sag ihm bitte, dass …« Wieder kicherte ich, langsam wurde es peinlich; ich kann es nur damit erklären, dass ich immer noch nicht ganz wach war. »Sag ihm, dass es Anya Balanchine überhaupt nicht leidtut!« 
    Win lachte, und sein Blick wurde etwas weicher. Er nahm meine Hand von meinem Herzen, dann zog er mich eng an sich, bis mein Gesicht nah am Wollmantel war, den ich so gut kannte. »Du hast mir so gefehlt, Annie. Du kamst mir schon ganz unwirklich vor. Ich habe Angst, dass du wieder verschwindest, sobald ich mich umdrehe.«
    »In nächster Zeit gehe ich nirgendwohin«, gab ich zurück. »Hausarrest.«
    »Gut. Es ist schön, wenn ich weiß, wo du bist. Diese neue Staatsanwältin gefällt mir jetzt schon.«
    Es gab so viele Dinge, die uns Sorgen oder Kummer machten, doch in dem Moment war ich nicht traurig oder bekümmert. Ich fühlte mich mutig, stark und einfach besser neben Win. Es wäre so einfach für mich, ihn wieder zu lieben. Abrupt schob ich ihn von mir.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Win … Was Imogens Schwester auf der Beerdigung gesagt hat, das stimmt. Die Menschen um mich herum werden sehr oft verletzt. Das weißt du selbst.« Ich strich mit den Fingerspitzen über seine Hüfte. »Wir müssen das mit uns nicht fortführen. Nur weil du dich auf der Highschool in ein Mädchen verliebt hast, musst du nicht dein Leben lang mit ihr zusammenbleiben. Ich meine, das macht doch niemand. Zumindest niemand mit gesundem Menschenverstand. Ich …« Eigentlich wollte ich sagen, dass ich mich für eine junge Frau mit viel gesundem Menschenverstand hielt, doch dann kam etwas anderes heraus: »Ich liebe dich.« Das stimmte, davon war ich überzeugt. »Ich liebe dich, aber ich will nicht …«
    Er unterbrach mich. »Stopp!«, sagte er. »Ich liebe dich auch.« Er hielt inne. »Du unterschätzt mich, Annie. Ich bin nicht blind für deine Fehler. Zum Beispiel hast du zu viele Geheimnisse. Manchmal lügst du. Du hast Schwierigkeiten, das zu sagen, was dir auf dem Herzen liegt. Du bist furchtbar jähzornig. Du bist nachtragend. Und auch wenn das nicht deine Schuld ist, haben die Menschen, die du kennst, die verstörende Angewohnheit, Schüsse abzubekommen. Du vertraust niemandem, nicht einmal mir. Du hältst mich manchmal für einen Spinner. Leugne das nicht – ich merke so was. Und vielleicht war ich vor einem Jahr wirklich noch ein Spinner, aber seitdem ist eine Menge passiert. Ich bin anders, Anya. Du hast immer gesagt, ich wüsste nicht, was Liebe ist. Aber ich glaube, ich habe es inzwischen gelernt. Ich habe es gelernt, als ich im Sommer dachte, ich hätte dich für immer verloren. Ich habe es gelernt, als mein Bein so fürchterlich schmerzte. Und ich habe es gelernt, als du weg warst und ich nicht wusste, ob ich dich jemals wiedersehen würde. Ich habe es jede Nacht gelernt, als ich betete, dass du in Sicherheit wärst, selbst wenn ich dich niemals wiedersehen würde. Ich will dich nicht heiraten. Ich bin einfach nur glücklich, eine Weile in deiner Nähe zu sein, solange du es zulässt. Denn es hat für mich niemals eine andere gegeben als dich. Es wird für mich niemals eine andere geben. Das weiß ich. Wirklich. Annie, meine Annie, nicht weinen …«
    Weinte ich? Doch, ich glaube schon. Aber ich war so furchtbar müde. Deshalb konnte man mir das unmöglich vorwerfen.
    »Ich weiß, dass es schwer wird, dich zu lieben. Aber ich liebe dich, komme, was wolle.«
    Er sah mir in die Augen, und ich schaute in seine. Sein Blick war nicht mehr so blind bewundernd wie noch vor einem Jahr. Er war klar. Meiner ebenfalls, abgesehen von den Tränen, durch die ich alles nur noch verschwommen sah.
    »Und, gefällt dir auch irgendwas an mir?«, fragte ich.
    Er dachte nach. »Deine Haare«, sagte er schließlich. »Und letztes Jahr warst du eine ganz ordentliche Laborkollegin. Also, wenn du denn mal da warst.«
    »Ich musste meine Haare abschneiden. Sie sind erst zur Hälfte wieder nachgewachsen.«
    »Ich weiß, Anya. Das ist ein großer Verlust.«
    »Haare sind eh keine gute Grundlage für eine Beziehung«, sagte ich.
    Ich reckte mich auf die Zehenspitzen und küsste Win auf den Mund. Der erste

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