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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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Rinko.
    »Musste ich.«
    »Und ich musste das tun, was ich tun musste.« Sie beugte sich über den Tisch vor und senkte die Stimme. »Du siehst so lieb und unschuldig aus, aber ich weiß, dass das nur Fassade ist. Es wird erzählt, du hättest einem Mann mit einer Machete die Hand abgeschlagen.«
    Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen. Niemand in Amerika wusste, was in Mexiko passiert war. »Wer hat das erzählt?«
    Rinko aß einen Löffel Kartoffelpüree. »Ich kenne Leute.«
    »Was du da gehört hast … das stimmt nicht«, log ich. Ein Teil von mir wollte fragen, wen genau sie kannte, aber ich wollte mich nicht bei jemandem verraten, den ich nie besonders gemocht hatte und nicht vertrauenswürdig fand.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich werde es keinem erzählen, falls du dir deswegen Sorgen machst. Geht mich nichts an.«
    »Warum hast du dich heute zu mir gesetzt?«
    »Ich fand schon immer, dass wir beide Freundinnen sein sollten. Irgendwann brauchst du vielleicht mal jemanden, der sich mit Kaffee auskennt. Und irgendwann brauche ich vielleicht mal jemanden, der das eine oder andere über Schokolade weiß.« Sie machte eine ausholende Handbewegung. »Die anderen Mädchen hier … die gehen nach Hause, haben sich vielleicht auch gebessert und so ’n Scheiß. Aber du und ich, wir sitzen fest. Wir wurden da reingeboren und bleiben unser Leben lang drin.«
    Eine Klingel ertönte, was bedeutete, dass wir zu unseren nachmittäglichen Übungen gehen mussten.
    Ich wollte mein Tablett mitnehmen und es auf dem Förderband abstellen, doch Rinko kam mir zuvor. »Ich gehe da eh hin«, sagte sie. »Wir sehen uns, Anya.«
     
    Am Samstagvormittag wurde ich entlassen. Ich hatte mich gesorgt, es könnte noch etwas dazwischenkommen und unsere Abmachung gegenstandslos machen, doch Mr. Kipling zahlte eine Spende für den Wahlkampf, und die korrupte Bertha Sinclair hielt Wort. Ich nahm die Fähre, die mich wieder zum Festland brachte, und Mr. Kipling erwartete mich am Anleger. »Nur damit du Bescheid weißt, da warten ziemlich viele Leute auf Bertha Sinclair«, teilte er mir mit.
    »Muss ich auch etwas sagen?«
    »Lächle einfach in den passenden Momenten.«
    Ich holte tief Luft und ging auf Bertha Sinclair zu, die mir die Hand gab. »Guten Morgen, Anya.« Sie wandte sich an die vor ihr versammelte Presse. »Wie Sie wissen, hat Anya Balanchine sich mir vor einer Woche ausgeliefert. In den vergangenen sieben Tagen hatte ich Zeit, mir über die Angelegenheit Gedanken zu machen, und« – Bertha Sinclair hielt inne, so als hätte sie nicht schon die ganze Zeit gewusst, was sie tun würde. »Ich möchte nicht abfällig über meinen Amtsvorgänger sprechen, doch ich bin der Meinung, dass die Art und Weise, wie er mit der Situation von Ms. Balanchine umging, schlicht gesagt, grausam war. Ob ihre ursprüngliche Strafe angemessen war oder nicht, mein Vorgänger hatte keine Veranlassung, Anya Balanchine im letzten Herbst nach Liberty zurückzuschicken. Das war schlicht und einfach Politik, und meiner Meinung nach sollte alles, was danach geschah, vergessen werden. Anders als mein Vorgänger bin ich der Ansicht, dass es Gesetze gibt, aber es gibt auch Gerechtigkeit. Ich möchte Ihnen versichern, dass Ihre Staatsanwältin sich mehr für Gerechtigkeit interessiert. Ein neuer Amtsinhaber ist ein guter Anlass für einen Neuanfang. Deshalb habe ich beschlossen, Anya Balanchine, diese Tochter von Mannahatta, zu entlassen. Sie hat ihre Strafe abgesessen.«
    Bertha Sinclair drehte sich zu mir um und umarmte mich. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Anya Balanchine. Viel Glück, meine Freundin.« Dann drückte sie meine Schulter mit einer Hand, die sich wie eine Klaue anfühlte.



XII. Ich werde eingesperrt und denke über die seltsame Natur des menschlichen Herzens nach
    Der Morgen meiner Entlassung fiel mit Imogens Beerdigung zusammen, daher fuhren wir vom Anleger direkt zur Riverside Church, wo Mr. Kipling und ich Simon Green und Natty treffen sollten. Direkt nach der Beisetzung würde mein einmonatiger Hausarrest beginnen. Ich trug ein schwarzes Kleid von Nana, das Mr. Kipling mir nach Liberty gebracht hatte. Es war mir unangenehm eng um die Schultern. Die Arbeit mit der Machete hatte mich breiter gemacht, nehme ich an.
    Die Riverside Church lag ungefähr eine Meile nördlich vom Pool. Als wir an dem Laden vorbeifuhren, umklammerte ich den Türgriff des Wagens und fragte mich, ob die Menschen dort – meine Verwandten –

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