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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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Wagen stehengeblieben, wir wurden runtergestoßen und zu ’nem Haus gebracht. Als ich’s gesehen hab, ist mir das Herz in die Hose gerutscht, und den anderen ging’s garantiert nicht besser. Es war das EL-DE-Haus, am Appellhofplatz. Die Kölner Gestapozentrale, um die jeder vernünftige Mensch einen weiten Bogen macht.
    Obwohl’s mitten in der Nacht war, sind alle Fenster hell erleuchtet gewesen. Die haben auf uns gewartet, wie’s schien. Wir mussten rein und auf ’nem langen, kahlen Flur einer neben dem anderen an der Wand stehen. Es war ein bisschen wie letztes Jahr
bei der Polizei – nur schlimmer. Irgendwie liegt in dem Haus was in der Luft, das einen fertigmacht. Und dann die Geschichten, die drüber in Umlauf sind! Dass man tief in der Nacht die Schreie von drinnen bis auf die Straße hört. Daran musste ich denken, als ich da gestanden hab. Ich hab nur noch gezittert, so ’ne Schweineangst hatte ich.
    Weil ich ganz vorn in der Reihe war, musste ich als Erster zum Verhör. Der Raum, in den sie mich gebracht haben, war ziemlich klein, und es hat irgendwie komisch gerochen da drin. Zwei Gestapoleute haben auf mich gewartet. Der eine war klein und dünn und hat hinter ’nem Schreibtisch gesessen, als ich reinkam. Der andere war groß und kräftig, mit ’nem hässlichen, brutalen Gesicht, und hat an der Wand gelehnt.
    Zuerst haben sie meine Personalien aufgenommen. Der Dünne hat die Fragen gestellt und alles in irgendein Formular eingetragen. Er ist komischerweise richtig freundlich gewesen und hat sogar ab und zu ’n Witz gerissen. Der Hässliche hat gar nichts gesagt. Er hat nur dagestanden und mich von der Seite angestarrt, ohne ein einziges Mal die Miene zu verziehen. Ab und zu haben seine Hände gezuckt. Das hat mich nervös gemacht.
    Der Dünne hat gefragt, was ich am Felsensee zu suchen hatte, was meine Klamotten bedeuten, wieso ich nicht in der HJ bin, mit wem ich hier in Köln rumhänge und so weiter. Es war klar, dass er was über die Edelweißpiraten hören wollte. Ich hab mich dumm gestellt, wie letztes Jahr bei der Polizei. Aber ich hab von Anfang an ein schlechtes Gefühl dabei gehabt. Denn eins war klar: Jeder von uns dreien wusste, dass ich lüge.
    Irgendwann ist der Dünne aufgestanden und um den Tisch gekommen. »Na schön, mein Junge«, hat er gesagt und mir die Hand auf die Schulter gelegt. »Jetzt aber mal raus mit der Sprache: Wieso habt ihr das gemacht? Das mit den Flugblättern?«
    Ich war total überrumpelt. Verdammt, woher weiß er das?, hab
ich gedacht. Es hat uns doch nie wer gesehen. Oder etwa doch? Hat uns vielleicht einer nachspioniert? Einer von den Blockwarten? Und uns angeschwärzt?
    Zum Glück hab ich im letzten Moment, bevor ich was Dummes sagen konnte, grade noch die Kurve gekriegt. Nein!, hab ich gedacht. Sie wissen nichts. Sie können gar nichts wissen. Sie haben von den Flugblättern gehört, klar. Wahrscheinlich sind auch welche bei ihnen abgeliefert worden. Und jetzt wollen sie rauskriegen, wer sie verteilt hat. Wir sind aus Ehrenfeld und schon bei der Polizei aufgefallen. Also sind wir verdächtig. Und jetzt versuchen sie’s mit dem Trick, so zu tun, als wüssten sie schon alles.
    »Was für Flugblätter?«, hab ich also gefragt.
    Aber kaum hatte ich’s gesagt, war der Hässliche bei mir. Es ging so schnell, ich hab ihn gar nicht kommen sehen. Er hat mich gepackt, mit der einen Hand am Kragen, mit der anderen in den Haaren, und auf den Tisch gedrückt.
    »Die – Flug – blät – ter – die – in – Eh – ren – feld – in – den – Brief – käs – ten – wa – ren«, hat er gebrüllt und bei jeder Silbe meinen Kopf auf die Tischplatte geknallt.
    Die Wunde auf der Stirn, die ich schon vom Felsensee hatte, ist wieder aufgeplatzt, das Blut ist auf den Tisch getropft. Mein Kopf ist fast zersprungen, mir ist schwindlig geworden. Ich musste mich festhalten, sonst wär ich umgekippt.
    Der Dünne hat den Hässlichen von mir weggezogen, ist mit ihm zur Seite gegangen und hat auf ihn eingeredet. Dass er sich beruhigen soll und so. Dann ist er wieder zu mir gekommen und hat mir ein Taschentuch hingehalten.
    »Hier, mach dir das Gesicht sauber.«
    Ich hab das Tuch genommen und an die Stirn gedrückt, damit das Bluten aufhört.
    »Und wisch gefälligst die Schweinerei vom Tisch – aber ’n bisschen plötzlich!«, hat der Hässliche von der Seite gebrüllt.
    Ich hab versucht zu tun, was er sagt, aber es ging nicht. Immer wenn ich das Tuch von der Stirn

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