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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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Typ, den sonst nie was aus der Ruhe bringt, nicht drüber reden kann!
    »Die Sache hat ’ne richtige Lawine losgetreten«, hat ein anderer von den Wuppertalern gesagt. »Hunderte von Wohnungen haben sie durchsucht. Bei uns, in Düsseldorf, Duisburg, Essen – hat immer weitere Kreise gezogen. Was nicht niet- und nagelfest ist, haben sie beschlagnahmt. Gefälschte Fahrtenausweise, Gitarren, Lieder, Briefe, Klamotten, Edelweißabzeichen – einfach alles. Überall da, wo sie was Schlimmes gefunden haben, Flugblätter oder Waffen, haben sie die Leute verhaftet. Denen wird jetzt der Prozess gemacht.«
    »Und wenn sie verurteilt werden?«, hat Flint gefragt. »Was passiert dann mit ihnen?«
    »Wenn sie Glück haben, Jugendgefängnis. Wenn nicht, geht’s nach Moringen. Ins Jugend-KZ.«
    Er hat noch mehr erzählt und uns eingeschärft, dass wir bloß vorsichtig sein sollen mit allem, was wir tun. Ja keine Namen nennen oder Adressen rumliegen lassen oder Lieder aufschreiben oder sonst was. Keiner wär mehr sicher, hat er gesagt. Seit das mit den Flugblättern passiert ist.
    »Woher hattet ihr die eigentlich?«, wollte der Lange wissen.
    »Erst haben wir die von den Engländern genommen und heimlich
verteilt. Aber dann haben sie längere Zeit keine abgeworfen. Da haben wir angefangen, selbst welche zu machen.
Einst wird kommen der Tag,
haben wir auf eins geschrieben.
Wo wir wieder frei, unsere Ketten entzwei. Wo wieder Lieder klingen, die wir heut nur im geheimen singen.
Meistens haben wir sie irgendwo fallen lassen, wo viele Leute sind. Bahnhöfe oder so. Und dann ab durch die Mitte. Denn wehe, dabei erwischt euch einer. Dann geht’s zur Gestapo. Und wenn die euch in den Krallen haben, dann gnade euch Gott!«
    An dem Abend sind wir sehr nachdenklich schlafen gegangen. Es hatte angefangen zu regnen, deshalb haben wir uns in die Zelte verkrochen. Irgendwann sind wir eingeschlafen, aber mitten in der Nacht hat mich ein Geräusch geweckt. Erst hab ich nicht kapiert, was los ist. Ich hab nur gesehen, dass der Eingang von unserem Zelt offen ist, dass welche davorstehen in so schweren schwarzen Stiefeln und dass irgendein Wasserstrahl zu uns reinplätschert. Dann hat Flint angefangen zu brüllen, und da ist es mir klar geworden: Die da standen, waren welche von der SS, und der Wasserstrahl, das war ihre Pisse.
    Wir wollten nach draußen stürmen. Aber bevor wir’s tun konnten, ist das Zelt von allen Seiten aufgeschlitzt worden. Irgendwer hat mich rausgezerrt, und gleich drauf hat’s ’n Schlag auf den Kopf gegeben, dass ich dachte, er zerspringt in tausend Teile. Als ich wieder halbwegs bei Sinnen war, hab ich gesehen, dass ein riesiger Trupp von SS-Leuten das Lager überfallen hat. Irgendwie müssen sie die Wachen überrumpelt haben. Sie sind an jedem Zelt gewesen, haben die Leute rausgezogen und zusammengeschlagen. Wie die Verrückten haben sie auf sie eingedroschen, mit Knüppeln und Eisenstangen. Wehren konnte sich keiner, denn alle waren noch halb im Schlaf, und überall im Hintergrund standen welche mit Maschinenpistolen und haben auf uns gezielt.
    Mir lief das Blut übers Gesicht, und ich bin liegengeblieben,
damit keiner auf die Idee kommt, mir noch eins überzubraten. Es war schrecklich, bei dem Geprügel zusehen zu müssen, ohne was tun zu können. Aber was blieb mir schon übrig? Es waren einfach zu viele, sie waren bewaffnet, und zu allem entschlossen waren sie auch.
    Irgendwann war das grausige Schauspiel vorbei. Sie haben uns hochgerissen und am Ufer zusammengetrieben. Aus unserer Gruppe hatte es Flint und Kralle am schlimmsten erwischt, weil sie sich am längsten gewehrt hatten. Aber wir anderen sahen auch nicht viel besser aus. Alle haben geblutet, Frettchen konnte kaum noch laufen. Nur die Mädchen hatten nichts abgekriegt – soweit man auf den ersten Blick sehen konnte.
    Dann haben sie uns abgeführt. Den Pfad hoch und runter zum Rheinufer. Wir waren immer noch total geschockt, sind dahergetrottet wie ’ne Bande von Sträflingen. Ständig gab’s Gebrüll und Schläge in den Rücken. Unten auf der Straße standen Lastwagen. Wir mussten sagen, aus welcher Stadt wir sind, dann haben sie uns auf die Ladeflächen verteilt. Die Planen wurden runtergelassen, und es ging ab nach Köln – oder Wuppertal, oder wo immer die Leute her waren.
    Während der Fahrt war’s gespenstisch still. Keiner hat sich getraut, was zu sagen oder wen anzusehen, weil’s dann wieder Schläge gesetzt hätte. Irgendwann ist der

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