Eden
Mischung aus beidem.
Er fragte sich, was aus Daffy-Doggy geworden war, und beschloss, lieber nicht darüber nachzudenken. Das hätte einen Rattenschwanz anderer Gedanken nach sich gezogen, an andere Vermisste, wahrscheinlich Tote, ganz gewiss Tote. Die möglicherweise irgendwo da draußen herumstapften.
Er stieß Julie an, und sie drehte sich auf die andere Seite. Jede Nacht begann damit, dass ihr Kopf auf seiner Schulter und er flach auf dem Rücken lag, und jeden Morgen wachten sie mit seinem um ihren Körper geschlungenen Bein auf, eng aneinandergeschmiegt, seine Nase auf ihrem Kopf, die Füße verschränkt. Die allnächtliche Routine. Gewohnheiten und Routinen waren wichtig in Eden.
Harris atmete ihren Duft ein.
Die Ohrstöpsel dämpften die Geräuschkulisse der Nacht. So hörte er die Schnurrmaschine an seinen Füßen nicht. Nicht jeder in Eden ging früh schlafen, und bei offenem Fenster hätte er die Leute draußen hören können. Und auch das gelegentliche Heulen und Stöhnen, die von jenseits der Mauern herüberdriftende Klage der Untoten. Alles in allem genug Gründe, mit Ohrstöpseln zu schlafen.
Harris fragte sich, ob er Julie genug liebte. Er sagte ihr, dass er sie liebte, und es war ihm ernst damit. Er nahm auch an, dass sie das wusste. Aber manchmal hatte er das Gefühl, dass er nicht fähig sei, sie so zu lieben, wie er Raquel geliebt hatte. Wie er Raquel immer noch liebte.
Liebte er Raquel? Hätte ihm jemand diese Frage gestellt, hätte er sie ohne zu zögern bejaht. Aber auf gewisse Weise verebbte das Gefühl, als gehörte es zu einem anderen Menschen an einem anderen Ort in einer anderen Zeit.
Er wollte Julie gegenüber nicht unfair sein. Er hatte ihr von Anfang an gesagt, dass er angesichts der Situation nicht auf der Suche nach einer Beziehung war. Er hatte sehr direkt erklärt, dass er eine Menge Menschen, darunter einige, die ihm sehr nahestanden, auf äußerst üble Weise hatte sterben sehen. Sie hatte ihn daran erinnert, dass es ihr nicht anders ging.
Er war froh, dass sie in sein Leben getreten war. Er wusste ganz ehrlich nicht, was er ohne sie getan hätte, als Buddy verschwunden war. Harris konnte nur hoffen, dass es dem großen Kerl irgendwo gutging. Aber genau wie bei Daffy war es besser, sich nicht allzu ausführlich mit seinem Schicksal zu beschäftigen.
Harris gab Julie einen Kuss auf den Hinterkopf, zog sie an sich und schloss die Augen.
Mister Vittles schlug noch einmal nach seinem großen Zeh.
39
»Freut mich, dass ihr eine Weile bleiben könnt, Jungs«, sagte Dom und lächelte.
»Danke, dass wir bleiben dürfen«, antwortete Harris.
»Ja, ist ja nicht, als müssten wir irgendwohin«, fügte Buddy hinzu.
Sie waren auf Doms Dach. Dom war ein großer, übergewichtiger Bursche, der durch seine enorme Körperfülle kleiner wirkte, als er in Wirklichkeit war.
Doms Haus war eine Ausnahme in diesem Viertel, denn es stand völlig frei. Zwischen seinem Dach und denen der Nachbarhäuser waren anderthalb Meter Luft über schmalen asphaltierten Wegen. Die Wege führten auf durch Bretterzäune voneinander getrennte Hinterhöfe.
Dom bereitete auf einem Viking-Grill Filet Mignons zu. Harris hatte keine Ahnung, wie der große, schwitzende Kerl es geschafft hatte, den Grill aufs Dach zu schaffen. Oder das Toilettenhäuschen. Hatte er sie vielleicht schon hierher gebracht, bevor es zum Ausbruch kam? Aber das hätte doch bestimmt gegen irgendeine Bauvorschrift verstoßen, und irgendeine Abteilung der Stadtverwaltung hätte mit einer Inspektion und einer Vorladung reagiert.
Harris hatte keine Erklärung.
Sheb Wooley sang im Radio der tragbaren Anlage von einem einäugigen, einhornigen fliegenden violetten Leutefresser. Harris erinnerte sich aus seiner Kindheit an den Song. Sha-na-na hatten in ihrer Show eine Coverversion gebracht.
»Wo kommt ihr her, Jungs?«
»Aus Manhattan«, antwortete Buddy in gedämpftem Ton.
»Hmmm.« Dom nickte. »Ich hab aus der Ferne ein bisschen mitbekommen, was da passiert ist.«
Von seinem Dach aus hatte er freie Sicht auf die Skyline von Manhattan. Sie war weit entfernt, aber es gab kein Anzeichen von Leben auf der Insel. Auch nicht, als Buddy sich mit dem Fernglas vergewisserte.
Harris fragte sich, was aus dem alten Mann und seinem Boot geworden war.
»Meine Frau hat in der City gearbeitet«, bemerkte Dom. Dann kam ihm wohl der Gedanke, dass es den beiden Männern, die er zwanzig Minuten zuvor auf der Straße gesehen und zu sich heraufgebeten
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