Eden
Männern im Wald, alle vier mit Bart, Flanellhemd und Bierbauch, in neonorangen Jagdwesten, eine Flinte im Arm.
Harris fühlte sich beobachtet.
Er drehte sich langsam um, musterte die beiden Türen, denen er auf dem Weg herab keine weitere Beachtung geschenkt hatte. Sie führten in andere Bereiche des Hauses, waren aber beide geschlossen. Hinter einer von ihnen brummte der Generator.
Nein, da war nichts. Die Kellertreppe.
Ein Schatten unterbrach den Lichtstreifen unter der Tür. Etwas befand sich auf der anderen Seite der Tür, etwas, das von seiner Anwesenheit wusste, das ihn in der Küche hörte.
Harris fragte sich, wie er die.357 hatte auf dem Dach lassen können. Er versuchte, sich zu beruhigen. Die Kellertür war sicher verriegelt.
Er ging vorsichtig einen Schritt darauf zu. Behielt den Schatten genau im Blick. Der Umriss bewegte sich, und drei fleckige Fingerspitzen schoben sich unter der Tür durch: grau und geschwollen, ein Nagel schwarz verfärbt.
»Himmel!«
Die Finger hatten nicht viel Platz, sie zitterten nur ein wenig und suchten das Linoleum ab. Von der anderen Seite der Tür drangen Geräusche herüber, Grunzen und Schnaufen, wie ein Schwein am Futtertrog.
Harris blickte auf die Finger hinab, spielte mit dem Gedanken, sie zu zerquetschen. Sie auf dem Küchenboden zu zertreten. Die Idee verflog schnell wieder. Das würde die Kreatur hinter der Türe nicht ernsthaft verletzen, ihr auf keine auch nur halbwegs effektive Weise schaden. Und er wollte Dom nicht antun, dass er beim nächsten Besuch der Küche die abgetrennten, aufgedunsenen Finger seiner toten Frau über den Linoleumbelag geschmiert sah.
Harris hielt sich und seinen Ekel im Zaum und verließ langsam rückwärts die Küche, ohne die Augen von den auf dem Linoleum trommelnden Fingern zu nehmen. Bevor er die Tür schloss, schaltete er das Licht in der Küche aus.
Zurück auf dem Dach bedankte er sich bei Dom für die Ohrstöpsel. Was er gesehen hatte, erwähnte er nicht. Er zog sich aus und faltete seine Sachen wieder zum Kopfkissen. Dann legte er sich flach auf den Rücken und schaute zum Himmel hinauf. Aber der lieferte ihm auch keine Antworten.
Die Ohrstöpsel waren nicht seine Lieblingssorte. Sie waren aus Wachs. Er steckte sie in die Ohren und drückte sie fest. Er bevorzugte die Stöpsel, die man einrollte und in den Hörkanal stopfte. Andererseits, wenn es nach seinen Vorlieben gegangen wäre, hätte er mit Raquel daheim im Bett gelegen, und den Wunsch erfüllte ihm auch keiner.
Der Autoalarm blieb stumm, aber trotzdem raste Harris’ Puls, während er darauf wartete, dass das Schrillen wieder losging. Eine Hand hatte er auf der.357 neben sich liegen, und er war überzeugt, kein Auge zutun zu können. Trotzdem trieb er, während auf den nächsten Autoalarm wartete, in eine Welt aus Alpträumen, aus denen es ein Erwachen gab.
Das Sonnenlicht weckte Buddy. Er blinzelte, setzte sich auf, gähnte und kratzte sich.
»Morgen.« Dom hockte neben dem Grill.
»Wie geht’s?«, fragte Buddy und sah, dass Harris noch schlief. Sein Begleiter hatte das Gesicht in den zusammengerollten Kleidern vergraben und ein Stück Stoff halb über den Kopf gezogen.
Dom schlug ein paar Eier in die Pfanne.
»Ich hoffe, du magst Rührei«, sagte er, und Buddy bejahte.
Während die Eier brutzelten, sah er sich um. Die Straße unter ihnen war verlassen. Niemand trat aus den Häusern, um in den Wagen zu steigen und zur Arbeit zu fahren oder an der Ecke auf den Bus zu warten.
»Essen wir«, lud Dom ihn ein. Er hatte eine Thermoskanne Kaffee fertig. Stark und gut. Die Eier waren die besten, die Buddy je gegessen hatte. Dom erklärte, er würde Harris neue machen, wenn er aufwachte. Jetzt sollten sie ihn noch schlafen lassen.
»Ja, er kann eine anständige Portion Schlaf vertragen«, gab Buddy ihm Recht.
»Wie seid ihr beide aneinandergeraten?«
Buddy erzählte es ihm, von der ersten Begegnung am Schulgebäude an. Woher er gekommen war, was er vorher gesehen und getan hatte, verschwieg er.
»Deine Kinder?« Dom deutete mit dem Kopf.
Buddy blickte auf die Tätowierungen an seinen Oberarmen. Die Ärmel des T-Shirts waren verrutscht, und die Tinte war sichtbar geworden. Auf dem linken Bizeps trug er ein kleines Engelmädchen, unter dem in verschnörkelter Schreibschrift der Name Monique stand, rechts einen cherubartig gezeichneten kleinen Jungen und den Namen Henry.
»Ja.«
Dom bemerkte, dass die Frage dem Hünen zusetzte, und entschuldigte sich.
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