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Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Mochinski
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Bühne gruppiert. Phil Caputo, im früheren Leben Elektriker, schloss einen Laptop an einen Projektor und eine ganze Batterie Lautsprecher an. Bei schönem Wetter schauten sie sich Filme auf der großen Leinwand an, wenn es regnete, schleppten sie Laptop, Projektor und Lautsprecher nach drinnen und deckten die Sitzgelegenheiten mit Planen ab. Alles war aufgebockt, damit es nicht nass werden konnte, wenn sich Pfützen bildeten.
    Falls ein Sofa oder ein Sessel nicht mehr zu gebrauchen war, stellte das kein Problem dar. Das Teil wurde einfach über die Mauer geworfen. Nachschub gab es reichlich. Ganze Häuser in Eden standen leer. Männer wie Harris und Buddy zogen es vor, ein Haus für sich zu haben. Aber es gab auch Pärchen, die zusammenwohnten, wie Bobby und Beth oder Sal und Camille. Wer nicht allein leben wollte, zog mit einem Kumpel zusammen wie Palmer und Ryan oder das sehr ungleiche Paar Davon und Al Gold.
    Heute lief ein Western, den Harris schon mehrmals gesehen hatte.
    Rund ein Dutzend Zuschauer hatten sich versammelt. Die Lautstärke war voll aufgedreht, und die Untoten hinter der Mauer waren kaum noch zu hören.
    »Ihr könntet wenigstens die Höflichkeit besitzen, die Kanonen zu ziehen«, sagte der Sheriff zu seinen alten Freunden Butch Cassidy und Sundance Kid. Newman und Redford. Ein Klassiker. Zwei Mann auf der Flucht, gehetzt von gnadenlosen Feinden.
    »Komm schon, Sundance, fessel meine Füße.«
    An dieser Stelle des Films wurde Harris jedes Mal traurig. Er hatte den Film das erste Mal als kleiner Junge gesehen, spät nachts auf Kanal 9. Butch und Sundance, die in einem bolivianischen Kugelhagel starben. Das Ende war hauptsächlich deshalb so wirkungsvoll, weil man sie nicht ins Gras beißen sah. Sie stürmen aus dem Haus, in dem sie sich verbarrikadiert haben, blutig und verletzt, beide einen Revolver in jeder Hand. Dann friert das Bild ein. Die erste Gewehrsalve, ein lautes Kommando, eine zweite Salve. Harris trauerte jedes Mal. Man wusste einfach, dass die beiden durchlöchert wurden.
    Aber so weit war es noch nicht. Jetzt erklärte der Sheriff noch in hellseherischer Klarheit, was ihnen bevorstand, auch wenn sie das nicht ahnten.
    »Da draußen gibt es etwas, das euch Angst macht, nicht wahr?«
    Redford lugte durch den geschlossenen Vorhang hinaus in die Nacht.
    »Aber es ist zu spät. Ihr hättet euch schon längst abknallen lassen sollen, als ihr noch die Chance dazu hattet.«
    Harris stand auf und ging.
    »Es ist vorbei, kapiert ihr das nicht?« Er konnte den Sheriff Butch und Sundance immer noch ins Gewissen reden hören. »Eure Zeit ist vorbei. Ihr werdet ein blutiges Ende nehmen. Ihr könnt jetzt nur noch entscheiden, wo es passiert.«
    Als er weit genug entfernt war, um den Film nicht mehr zu hören, setzte er sich auf eine Türschwelle und senkte den Blick. Alles in allem hatte er sich ganz gut im Griff behalten. Er hatte weder angefangen zu saufen noch Drogen zu nehmen. Al Gold war die halbe Zeit blau. Harris fragte sich, ob er schon immer so gewesen war, oder ob die Umstände ihn in den Suff getrieben hatten.
    Wem versuchte er, etwas vorzumachen? Die Umstände hatten ihre Spuren auch bei ihm hinterlassen. Das taten sie jeden Morgen, wenn er aufwachte, und jeden Abend, wenn er sich ins Bett legte. Wie sonst wollte er erklären, wie er damals auf die Hellseherin reagiert hatte? Harris hielt sich zugute, kein gewalttätiger Mensch zu sein. Hatten die Jahre als Lehrer und danach als Rektor nicht bewiesen, über welche enormen Geduldsreserven er verfügte? Und trotzdem hatte er die letzten Monate womit zugebracht? Er zerhackte Leute mit der Machete und jagte ihnen Kugeln in den Kopf. Na schön, vielleicht konnte man sie eigentlich nicht mehr als Leute bezeichnen. Oder doch?
    Harris’ Existenz drehte sich wie bei allen anderen auch nur ums Überleben. Sich darüber Gedanken zu machen, war ein Luxus, den er sich nur hier in der relativen Sicherheit von Eden erlauben konnte.
    Seine Brieftasche steckte in der Gesäßtasche, eine alte Gewohnheit. Er zog sie heraus und bemerkte, wie viel dünner sie geworden war. Er hatte nie viel Geld mit sich herumgetragen. Als junger Mann hatte er die Dollarscheine mit einem Gummiring zusammengehalten, später hatte er eine Metallklammer benutzt. Die Kreditkarten und den Leseausweis der Bücherei hatte er weggeworfen. Aber aus purer Gewohnheit hatte er die Kreditkarten vorher zerschnitten. Und seinen Sozialversicherungsausweis hatte er behalten.
    Die Bilder

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