Eden
zählten.
In der nächsten Viertelstunde hatte sie sieben weitere Zombies erlegt und zwei Magazine leergeschossen. Allmählich wurde die Munition knapp.
Die Menge veränderte sich. Soldaten in Uniform liefen die Sixth Avenue herauf. Morgan versuchte, über Funk ihren Vorgesetzten zu erreichen, aber sie kam nicht durch. In der Leitung brüllten eine Menge Leute, die sie nicht kannte, gegeneinander an.
Mehrmals dachte sie daran, den Posten zu verlassen, einfach loszurennen und zu versuchen, es zurück ins Revier zu schaffen oder sogar nach Staten Island zu ihrer Familie. Aber irgendetwas, sie war nicht sicher was, möglicherweise Pflichtgefühl, hinderte sie daran.
Außerdem sagte sie sich, dass sie schon genug Ärger bekommen würde, wenn das hier vorüber war und der Kerl, den sie angeschossen hatte, die Stadt verklagte.
Was sie schließlich umstimmte, war der Bradley-Panzer, der die Sixth heraufbretterte. Zombies klammerten sich daran fest. Zwei kämpften mit einem Soldaten in der Luke. Der Panzer bremste weder ab, noch unternahm er irgendeinen Versuch, der Menschenmenge auszuweichen. Morgan wurde schlecht, als sie sah, wie er einfach über die Menschen hinwegrollte und sie unter seinen Ketten zerplatzten wie reife Früchte.
Sie übergab sich, kotzte das heiße Würstchen aus, das sie auf dem Herweg an einem Straßenstand gekauft hatte. Dann wischte sie sich den Mund ab und ging los.
Der Chassid sprang sie etwa acht Querstraßen weiter von hinten an. Zunächst begriff sie gar nicht, was geschah. Jemand packte sie von hinten und zog sie zu Boden. Sie wälzten sich am Boden, und es gelang ihr, sich umzudrehen, aber da hatte schon ein schwarzer Jackenärmel ihr Gesicht gestreift.
Morgan packte die Kreatur bei den Schläfenlocken und zerrte ihr Maul von ihrem Gesicht fort. Ein schneller Kopfschuss, und der Zombie erschlaffte.
Sie saß einen Moment auf der Sixth Avenue und blinzelte, tastete mit den Fingern nach ihren Kontaktlinsen. Eine war herausgefallen, die andere saß noch halb im Auge, aber durch das Blinzeln verlor sie Morgan ebenfalls.
Als Kind hatte sie eine Brille getragen. Sie hatte sehr schlechte Augen. Nicht schlecht genug, um als blind zu gelten, aber nicht weit davon entfernt. Eine Brille oder Kontaktlinsen halfen. Bei der Einstellungsuntersuchung der Polizei hatte sie deswegen gelogen, und als sie auf die Polizeiakademie kam, hatte sie nie irgendwelche Probleme wegen der Kontaktlinsen gehabt. Allerdings war da ständig die Angst gewesen, die Linsen bei einem Kampf mit einem Delinquenten zu verlieren, deshalb trug sie in der Regel eine Ersatzbrille in einem Sonnenbrillenetui am Uniformgürtel bei sich, aber sie hatte einen ruhigen Job und war nachlässig geworden. Nachlässig genug, um die Brille ab und zu im Spind zu lassen. So wie heute.
Ohne ihre Kontaktlinsen sah sie nur noch verschwommen. Sie konnte sehen, dass Leute an ihr vorbeigingen. Sie sah auch die Gebäude links und rechts, aber keine Einzelheiten. Sie konnte nicht einmal das Nummernschild des Autos lesen, das keine drei Meter vor ihr parkte.
Morgan war klar, dass sie die Ruhe bewahren musste. Sie hatte an diesem Nachmittag schon zu viele Leute wild schreiend und panisch irgendwohin rennen sehen. Ohne Sinn und Verstand. Also stand sie auf und klopfte die Uniform ab. Die Glock hatte sie fallen lassen, und jetzt fand sie die Waffe nicht mehr. Hatte sie möglicherweise einer der Passanten im Vorbeigehen aufgelesen? Falls sie sich auf Hände und Knie hinabließ, um danach zu suchen, musste sie befürchten, niedergetrampelt zu werden.
Sie zog die Reservewaffe aus dem Knöchelholster und war froh, wenigstens die dabeizuhaben. Morgan versuchte, über Funk jemand zu erreichen, erhielt aber keine Antwort.
Und so kam es, dass sie sich Stunden später im hintersten Winkel eines Kleiderschranks in einem Büro im neununddreißigsten Stock eines Hochhauses an der Sixth Avenue versteckte.
Es war verteufelt schwer gewesen, auch nur in das Gebäude und dann in den Aufzug zu kommen. Niemand war bereit, anzuhalten und ihr zu helfen. Allem Anschein nach versuchten alle, das Gebäude zu verlassen, und sie war die Einzige, die nach oben wollte.
Sie befand sich in einer Art Arztpraxis. Sie war durch ein Wartezimmer und einen Flur gekommen, an dem Untersuchungszimmer lagen. Keiner der Telefonapparate funktionierte. Vielleicht machte sie etwas falsch. Jedenfalls bekam sie, wenn sie die Null wählte, weder eine Leitung noch meldete sich eine
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