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Eden

Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Gedränge zu befreien, soweit das freilich möglich war …«
    »Und wenn jemand die Menge auf euch gehetzt hat? Wenn das nur eine Treibjagd sein sollte?« warf der Ingenieur ein. Der Chemiker schüttelte den Kopf. »Da war nichts dergleichen, keine wirbelnden Scheiben, keine bewaffneten Wächter, keine Organisation. Es war völliges Chaos, nichts weiter. Stimmt«, fügte er hinzu, »ich wundere mich wirklich, dass ich das erst jetzt begreife. Diejenigen, die mich aus der Nähe sahen, schienen zur Besinnung zu kommen. Der Rest benahm sich eben wie rasend!« »Wenn das so war, wie ihr schildert«, sagte der Koordinator, »dann wäre das ein recht merkwürdiger Zufall. Warum wurden die Lichter gerade in dem Augenblick gelöscht, als wir dort ankamen?« »Ach so, die Wahrscheinlichkeitsrechnung«, murmelte der Doktor, und lauter fügte er hinzu: »Ich würde darin nichts Ungewöhnliches sehen, ausgenommen die nicht begründete Annahme, dass solche Zustände ziemlich häufig auftreten.« »Was für Zustände?« »Die der allgemeinen Panik.« »Und was mag sie auslösen?«
    »Möglicherweise der rückläufige Zivilisationsprozeß auf dem Planeten«, meinte der Kybernetiker nach einem Augenblick des Schweigens. »Eine Periode der Rückentwicklung, einfacher ausgedrückt: Die Zivilisation wird von einer Art … gesellschaftlichem Krebs zerfressen.« »Das ist sehr verschwommen«, meinte der Koordinator. »Die Erde ist bekanntlich ein ganz durchschnittlicher Planet. Es hat dort Epochen der Involution gegeben, ganze Zivilisationen entstanden und vergingen wieder, überblicken wir aber die Jahrtausende, so erhalten wir ein Bild zunehmender Kompliziertheit des Lebens und seines wachsenden Schutzes. Wir bezeichnen das als Fortschritt. Der Fortschritt erfolgt auf durchschnittlichen Planeten. Aber es gibt auch, gemäß dem Gesetz der großen Zahl, statistische Abweichungen vom Durchschnitt, positive wie negative. Man braucht sich gar nicht auf Hypothesen von einer periodischen Degeneration, von einer Rückentwicklung, zu berufen. Es ist doch möglich, dass die schädlichen Begleitumstände bei der Entstehung der Zivilisation hier größer sind und größer waren als anderswo. Vielleicht sind wir gerade während eines Prozesses der negativen Abweichung gelandet…«
    »Mathematischer Dämonismus«, sagte der Ingenieur. »Die Fabrik existiert«, bemerkte der Physiker. »Zugegeben, die erste, die Existenz der zweiten ist eine Hypothese, die sich nicht halten läßt.«
    »Mit einem Wort, eine neue Expedition ist notwendig«, schloss der Chemiker. »In dieser Hinsicht hatte und habe ich nicht die geringsten Zweifel.« Der Ingenieur schaute sich um. Die Sonne neigte sich bereits deutlich dem Horizont zu, die Schatten auf dem Sand wurden länger. Ein schwacher Wind wehte.
    »Heute noch …?« Der Ingenieur sah den Koordinator fragend an. »Heute sollten wir nach Wasser fahren, sonst nichts.« Der Ingenieur stand auf. »Eine sehr interessante Diskussion«, sagte er mit einer Miene, als dächte er an etwas anderes. Er hob seine Kombination auf und ließ sie gleich wieder fallen, so heiß war sie von der Sonne. »Ich denke, gegen Abend werden wir einen Ausfall auf Rädern zum Bach machen. Wir lassen uns durch nichts von unserem Plan abbringen, es sei denn, wir werden unmittelbar bedroht.« Er kehrte zu den im Sand Sitzenden zurück, betrachtete sie eine Weile und fügte dann zögernd hinzu: »Ich muss euch gestehen, dass ich etwas … unruhig bin.« »Warum?« »Mir gefällt nicht, dass sie uns in Ruhe lassen, nach diesem Besuch vor zwei Tagen. So verhält sich keine Gesellschaft, in die ein bemanntes Raumschiff vom Himmel fällt.«
    »Das würde in gewisser Weise meine Annahme stützen«, bemerkte der Kybernetiker. »Die mit dem >Krebs<, der Eden auffrißt? Nun, von unserem Standpunkt aus wäre das nicht das Schlimmste, nur …« »Was?« »Nichts. Hört zu, wir müssen uns endlich den Beschützer vornehmen. Das Gerümpel darüber wird weggeräumt, die Dioden darin sind sicherlich unversehrt.«

Neuntes Kapitel
    Etwa zwei Stunden lang wurde schwer gearbeitet. Sie trugen aus der unteren Kammer die zertrümmerten Automatenstücke heraus, die ineinandergebohrten, kaum noch voneinander zu lösenden Teile, die der Zusammenprall aus den Fassungen gerissen und auf die Lafette des Beschützers geworfen hatte. Die größten Lasten räumten sie mit dem Scherenkran weg, und alles, was sich nicht durch die Tür zwängen ließ, montierten der Ingenieur

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