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Eden

Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wollte etwas entgegnen, schwieg aber. Sie fuhren einen großen Bogen um die Rakete. Der Chemiker winkte ihnen nach, selbst als er nur noch einen hohen Staubschweif sah. Dann nahm er seine Wache bei dem flach eingegrabenen Werfer wieder auf.
    Ungefähr zwei Stunden später sah er zwischen den schlanken Kelchen, die lange Schatten warfen, ein Staubwölkchen auftauchen. Die eiförmige, rot angeschwollene Sonnenscheibe berührte gerade den Horizont. Von Norden drängten blaue Wolken heran. Die sonst um diese Zeit eintretende Kühle blieb diesmal aus, die Luft war noch immer stickig. Der Chemiker trat aus dem Schatten der Rakete und beobachtete, wie der Wagen über die Furchen hüpfte, die die wirbelnden Scheiben aufgewühlt hatten. Er stürzte Zum Wagen, als der noch rollte. Er brauchte nicht nach dem Erfolg des Ausflugs zu fragen. Der Wagen saß schwer auf dem breitgedrückten Reifen. In allen Kanistern gluckste Wasser. Selbst auf dem freien Sitz plätscherte ein voller Behälter. »Wie war’s?« fragte der Chemiker. Der Ingenieur nahm seine dunkle Brille ab und wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß und den Staub vom Gesicht. »Sehr angenehm«, sagte er. »Seid ihr jemand begegnet?« »Wie gewöhnlich, die Scheiben waren da, aber wir sahen sie nur von weitem. Wir fuhren von der anderen Seite heran, dort wo die Schonung mit der Schlucht ist, weißt du. Dort sind fast gar keine Furchen. Schwierigkeiten hatten wir mit dem Füllen der Kanister. Uns fehlte eine kleine Pumpe.« »Wir fahren noch einmal«, fügte der Physiker hinzu. »Zuerst müßt ihr das Wasser umgießen …«
    »Lohnt nicht«, erwiderte der Physiker. »Hier liegen so viele leere Behälter herum, wir nehmen davon welche mit. Dann können wir alles auf einmal umschütten. Recht so?« Er sah dem Ingenieur in die Augen, als hätte er dabei einen Hintergedanken. Der Chemiker bemerkte es nicht. Er wunderte sich nur über ihre unnötige Eile. Sie luden die Kanister mit einer Hast ab, als gelte es, irgendwo einen Brand zu löschen. Kaum hatten sie die neuen auf dem Gepäckgitter befestigt — übrigens weniger als das erstemal —, sprangen sie wieder in den Wagen und fuhren davon, eine riesige Staubfahne hinter sich herziehend. Als der Koordinator nach oben kam, sank die Staubwand, vom Licht der untergehenden Sonne purpurn übergössen, gerade auf die Ebene. »Sie sind noch nicht da?« fragte er.
    »Sie waren schon hier, haben die Behälter ausgewechselt und sind noch einmal gefahren.« Der Koordinator war mehr erstaunt als verärgert. »Wieso, sie sind also gleich wieder abgefahren?«
    Bevor er in die Rakete zurückging, versprach er dem Chemiker, ihn gleich ablösen zu lassen. Der Kybernetiker arbeitete gerade am Universalautomaten. Es wäre schwierig gewesen, mit ihm eine Unterhaltung anzufangen, er hatte ungefähr zwanzig Transistoren im Mund, die er nacheinander wie Kerne in die Hand spuckte. Auf seiner Brust baumelten mehrere hundert aus ihren Porzelit-hüllen hervorgezogene Leitungen, die er mit einer Fixigkeit zusammenknüpfte, dass die Finger nur so durcheinanderwirbelten. Manchmal hielt er inne und starrte minutenlang wie in Trance auf das große Schema, das vor seinen Augen hing. Der Koordinator ging deswegen wieder hinauf und löste selber den Chemiker auf seinem Posten ab, damit der das Abendbrot zubereiten konnte. Er setzte sich an den Werfer und vertrieb sich die Langeweile, indem er einige Beobachtungen in das vom Ingenieur angelegte Montagebuch eintrug.
    Seit zwei Tagen zerbrachen sie sich darüber den Kopf, was sie mit den neunzigtausend Litern radioaktiv verseuchten Wassers anfangen sollten, das den Raum über dem Lasteneingang überflutet hatte. Das war einer der Teufelskreise, auf die sie ständig stießen. Um das Wasser zu reinigen, brauchten sie die Filter, aber zu dem Stromkabel, das sie versorgte, gelangte man eben nur durch den überfluteten Raum. Sie hatten zwar einen Taucheranzug an Bord, aber sie benötigten einen, der auch vor Strahlung schützte. Es lohnte jedoch nicht, ihn eigens dafür herzurichten, ihn mit Blei zu panzern. Dann konnten sie auch warten, bis die in Betrieb genommenen Automaten in das Wasser tauchten. Der Koordinator saß unter dem Heck der Rakete, an dem seit Anbruch der Dämmerung alle drei Sekunden die Lampe aufflammte, und beeilte sich, im kurzen Lichtschein alles niederzuschreiben, was ihm in den Sinn kam. Er lachte hinterher selbst darüber, als er sein Geschreibsel betrachtete. Ein Blick auf die Uhr:

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