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Eden

Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Koordinator hob die Hand. »Mir scheint, wir sind an einem toten Punkt angelangt. Was weiter? Die Instandsetzung ist eine Sache, natürlich, aber ich möchte …« »Eine neue Expedition?« fragte der Doktor. Der Ingenieur lachte bitter. »Ich gehe immer mit. Wohin? In die Stadt?« »Das würde gewiß Kampf bedeuten«, gab der Doktor zu bedenken. »Denn anders als mit dem Beschützer kommen wir nicht durch. Und auf der Stufe der Zivilisation, die wir in gemeinsamer Anstrengung zu erreichen vermochten - immerhin steht uns ein Antiprotonenwerfer zur Verfügung -, haben wir eins, zwei, drei zu schießen angefangen. Wir sollten um jeden Preis einen Kampf vermeiden. Der Krieg ist die schlechteste Methode, Kenntnisse über eine fremde Kultur zu sammeln.«
    »Ich habe gar nicht an Krieg gedacht«, erwiderte der Koordinator. »Der Beschützer ist eben ein ausgezeichnetes Versteck, weil er soviel aushält. Alle Anzeichen scheinen darauf hinzuweisen, dass die Bevölkerung Edens aus verschiedenen Schichten besteht und dass wir mit der Schicht, die vernünftige Handlungen vollführt, bisher noch keinen Kontakt anknüpfen konnten. Ich verstehe, dass sie einen Ausfall in Richtung Stadt als einen Gegenschlag auslegen könnten. Uns jedoch bleibt die westliche Richtung, die wir überhaupt noch nicht erforscht haben. Zwei Mann genügen zur Bedienung des Wagens vollauf, die anderen bleiben hier und arbeiten in der Rakete.« »Du und der Ingenieur?« »Nicht unbedingt. Ich kann natürlich mit Henrik fahren.«
    »In diesem Fall brauche ich noch einen Mann, der mit dem Beschützer vertraut ist«, sagte der Ingenieur. »Wer möchte fahren?«
    Alle wollten. Der Koordinator musste unwillkürlich lächeln. »Kaum hat der Kanonendonner aufgehört, frißt euch das Gift der Neugier auf.«
    »Also, dann fahren wir«, erklärte der Ingenieur. »Der Doktor will natürlich als Vertreter der Vernunft und der Sanftmut mitkommen. Ausgezeichnet. Gut, dass du bleibst«, wandte er sich an den Koordinator. »Du kennst die Reihenfolge der Arbeiten. Am besten, ihr stellt den Schwarzen gleich bei einem Lastautomaten an, beginnt aber nicht mit den Grabungen unter der Rakete, bevor wir zurückgekehrt sind. Ich will noch die statischen Berechnungen überprüfen.«
    »Als Vertreter der Vernunft möchte ich mich nach dem Ziel dieses Ausflugs erkundigen«, sagte der Doktor. »Dadurch, dass wir uns den Weg bahnen, treten wir, ob wir wollen oder nicht, in eine Konfliktphase ein.« »Dann mach bitte einen Gegenvorschlag«, erwiderte der Ingenieur. Um sie herum rauschte leise, fast melodisch die wachsende Hecke, die stellenweise schon Mannshöhe erreicht hatte. In ihren sehnigen Verflechtungen brach sich mit weißen, irisierenden Funken die Sonne.
    »Ich habe keinen«, gestand der Doktor. »Die Ereignisse kommen uns immer zuvor, bisher haben alle unsere Pläne nicht hingehauen. Vielleicht wäre es am vernünftigsten, überhaupt keine Ausflüge mehr zu unternehmen. In wenigen Tagen ist die Rakete startklar. Wenn wir den Planeten in geringer Höhe umkreisen, können wir vielleicht ohne Behinderung mehr als jetzt erfahren.« »Das glaubst du doch selbst nicht«, widersprach der Ingenieur. »Wir erfahren ja schon jetzt nichts, wo wir die Dinge aus derNähe untersuchen, was kann uns dann ein Flug außerhalb der Atmosphäre geben? Und von wegen vernünftig, du lieber Himmel … Wären die Menschen vernünftig, hätten wir uns hier nie eingefunden! Was ist an Raketen vernünftig, die zu den Sternen fliegen?« »Das ist Demagogie«, brummte der Doktor und schritt langsam an dem Glaszaun entlang. »Ich habe ja gewusst, dass ich euch nicht überzeugen werde.« Die anderen kehrten zur Rakete zurück.
    »Rechne nicht mit sensationellen Entdeckungen! Ich nehme an, dass sich nach dem Westen hin ein ähnliches Terrain erstreckt wie hier«, sagte der Koordinator zum Ingenieur. »Woher willst du das wissen?«
    »Wir können doch nicht mitten in einem Wüstenfleck niedergegangen sein. Im Norden die Fabrik, im Osten die Stadt, im Süden die Hügelkette mit der >Siedlung< im Talkessel. Wahrscheinlich sitzen wir am Rande einer Wüstenzunge, die sich nach Westen ausweitet.« »Möglich, wir werden ja sehen.«

Zehntes Kapitel
    Wenige Minuten nach vier erbebte die Lastenklappe, senkte sich langsam, wie der Kiefer eines Nußknackers, und blieb wie eine Zugbrücke schräg in der Luft hängen - bis zum Boden fehlte mehr als ein Meter.
    Sie standen unter der Rakete zu beiden Seiten des Eingangs

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