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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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ins Boot, das inzwischen herabgelassen worden war. Die vier Leute, die noch auf Deck lagen, wurden losgebunden; man befahl ihnen, dem Kapitän zu folgen, was sie nicht ohne Widerstand taten, während Augustus noch in seiner peinlichen Lage verblieb, obwohl er bat und flehte, man möchte ihm nur die Gnade gewähren, von seinem Vater Abschied nehmen zu dürfen. Eine Handvoll Zwieback und ein Krug Wasser wurden herabgereicht, aber weder Mast, Segel, Ruder noch Kompaß. Das Boot wurde eine Minute lang geschleppt, während die Meuterer sich abermals besprachen; dann wurde das Tau zerschnitten. Die Nacht war hereingebrochen, man sah nicht Mond noch Sterne, die See ging in bösen, kurzen Stößen, obgleich der Wind nicht eben kräftig blies. Das Boot war sofort außer Sicht; für die armen Dulder blieb wenig zu hoffen. Dies ereignete sich auf dem 33. Grad 30 Min. nördlicher Breite, 61 Grad 20 Min. westlicher Länge, daher in nicht allzu großer Entfernung von den Bermudainseln. Somit tröstete sich Augustus in dem Gedanken, das Boot könne entweder Land erreichen oder ihm nahe genug kommen, um von Küstenschiffern gesichtet zu werden.
    Die Brigg ging jetzt unter allen ihren Segeln und setzte ihren ursprünglichen Kurs nach Südwesten fort, da die Meuterer einen Piratenstreich vorhatten; soviel man verstand, wollten sie irgendein Schiff auf seinem Wege von den Kapverdi-Inseln nach Portoriko abfangen. Um Augustus kümmerte man sich nicht, er wurde losgebunden und durfte frei umhergehen, nur die Kajüte war ihm verboten. Dirk Peters behandelte ihn mit einiger Freundlichkeit und rettete ihn einmal sogar vor der Brutalität des Kochs. Seine Lage war noch recht kitzlig, denn die Leute waren fortwährend betrunken, und man konnte sich nicht auf die Dauer auf ihre gute Laune verlassen. Doch behauptete er, die Sorge um mich sei das Traurigste an seiner Lage gewesen; und in der Tat hatte ich niemals Ursache, an der Aufrichtigkeit seiner Freundschaft zu zweifeln. Mehr als einmal war er entschlossen, die Meuterer mit dem Geheimnis meiner Anwesenheit vertraut zu machen, aber die Erinnerung an die Scheußlichkeiten, deren Zeuge er gewesen war, und die Hoffnung, mir bald Hilfe bringen zu können, hielten ihn davon ab. Aus letzterem Grunde lag er beständig auf der Lauer, aber trotz der größten Wachsamkeit vergingen drei Tage nach dem Aussetzen des Bootes, bevor sich eine Gelegenheit darbot. Endlich, in der Nacht des dritten Tages, kam eine schwere Bö aus Osten, und alle mußten heran, um die Segel zu reffen. Während des Durcheinanders, das nun erfolgte, gelangte er unbeobachtet in seine Kabine. Mit Entsetzen und Schmerz nahm er wahr, daß sie zu einem Aufbewahrungsort für allerhand Vorräte und Werkzeuge gemacht worden war und daß mehrere Faden alten Kabels, die unter der Treppe verstaut lagen, hierher geschleppt worden waren und nun gerade die Falltür zudeckten. Das Kabel unbemerkt zu entfernen, war unmöglich, und er eilte wieder aufs Verdeck. Sobald er dort erschien, packte ihn der Maat an der Kehle, fragte ihn, was er denn da unten zu suchen habe, und wollte ihn über Backbord in die See schleudern, als ihm das Leben abermals durch Dirk Peters gerettet wurde. Augustus bekam Handschellen an, und seine Füße wurden fest zusammengebunden. Er wurde dann ins Matrosenlogis gebracht und in eine der unteren Kojen nahe der Scheidewand des Vorderkastells gelegt, mit der Versicherung, daß er keinen Fuß mehr auf Deck setzen werde, »solange die Brigg eine Brigg sei«. Das war die Ausdrucksweise des Kochs, der ihn in die Koje warf; was er eigentlich damit meinte, ist schwer zu sagen. Der ganze Vorfall sollte aber, wie man gleich sehen wird, der Anlaß zu meiner endgültigen Erlösung werden.
    Fünftes Kapitel
    Einige Minuten gab sich Augustus der Verzweiflung hin; er hatte keine Hoffnung mehr, die Koje lebendig verlassen zu dürfen. Er kam jetzt zu dem Entschluß, dem ersten, der hinunterkäme, von meiner Lage Mitteilung zu machen, da er es für besser hielt, daß ich mein Glück bei den Meuterern versuchte, als daß ich im Kielraum vor Durst zugrunde ging; zehn Tage war ich nun schon dort gefangen, und mein Krug Wasser hatte kaum für vier gereicht. Als er so überlegte, kam ihm plötzlich die Idee, daß es nicht unmöglich sein würde, mit mir durch den Hauptkielraum in Verkehr zu treten. Unter anderen Umständen hätten ihn die Schwierigkeiten, die Gefahren des Unternehmens von solchem Wagnis abgehalten; aber jetzt schien ihm sein

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