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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Mannschaft zu alarmieren, und unser beider Leben wäre wahrscheinlich verloren gewesen.
    Wie sollte er sich das zum Schreiben Nötige verschaffen? Aus einem alten Zahnstocher wurde bald eine Feder; er schrieb nur nach Gefühl, denn im Zwischendeck war‘s pechfinster. Papier bot das rückwärtige Blatt eines Briefes, eines Duplikats jener gefälschten Einladung des Herrn Roß. Er schnitt sich dann in den Finger, gerade überm Nagel, wo das Blut reichlich hervorzuquellen pflegt. Das war seine Tinte, und jetzt schrieb er im Dunkeln, so gut es ging, jene Mitteilung an mich. Es war darin gesagt, daß eine Meuterei stattgefunden habe, daß der Kapitän ausgesetzt worden sei, daß ich bald Hilfe erwarten könne, was Lebensmittel anbetreffe; aber keinerlei Störung hervorbringen möge. Die Schlußworte lauteten: »Ich schrieb dies mit meinem Blut – wenn Dir Dein Leben lieb ist, bleib still liegen.«
    Dieser Papierstreifen wurde am Hund befestigt; der sprang durch die Luke. Augustus gelangte, so gut es ging, nach dem Vorderkastell, und er hatte keinen Grund, anzunehmen, daß einer von den Leuten inzwischen unten gewesen war. Um das Loch in der Wand zu verbergen, steckte er sein Messer ins Holz und hing seine Jacke daran auf. Dann legte er sich selbst wieder in Fesseln.
    Alles das war kaum getan, als Dirk Peters herunterkam, stark bezecht, jedoch in bester Laune und mit Vorräten für meines Freundes leibliches Wohl. Jene bestanden in einem Dutzend gerösteter, großer, irischer Kartoffeln und einem Eimer Wasser. Er saß eine Weile auf einer Kiste nächst der Koje und sprach offenherzig über den Maat und die Zustände an Bord des Schiffes. Sein Benehmen war launisch, um nicht zu sagen grotesk. Einmal war Augustus durch sein Verhalten sehr beunruhigt. Endlich begab er sich wieder aufs Verdeck, indem er murmelte, er werde dem Gefangenen morgen ein gutes Essen bringen. Während des Tages kamen zwei Harpuniere, begleitet vom Koch; alle drei waren nahezu im letzten Stadium der Trunkenheit. Gleich Peters sprachen sie ohne Rücksicht über ihre Pläne. Sie schienen untereinander uneins in bezug auf den Kurs, der eingehalten werden sollte; einig waren sie nur in einem Punkt, nämlich bezüglich des Angriffes auf das Schiff von den Kapverdi-Inseln, das stündlich erwartet wurde. Die Meuterei schien nicht allein der Beute wegen in Szene gesetzt worden zu sein; ein persönlicher Groll des Unterschiffers gegen Kapitän Barnard schien den hauptsächlichen Anstoß gegeben zu haben. Jetzt gab es offenbar zwei Parteien, die des Unterschiffers und die des Kochs. Jener wollte das erste geeignete Schiff besetzen und es an irgendwelchem westindischen Eiland auf Seeräuberei einrichten. Doch die Gegenpartei, der auch Dirk angehörte, war stärker; sie wollten den ursprünglichen Kurs nach dem südlichen Teil des Stillen Ozeans beibehalten, dort entweder Walfische fangen oder etwas anderes beginnen, je nach den Umständen. Peters hatte oftmals diese Gegend besucht, und seine Vorstellungen waren von großem Gewicht bei den Meuterern, die zwischen Gewinn und Vergnügen unklar hin und her schwankten. Er betonte, welch eine neue, abwechslungsreiche Welt sich auf den zahllosen Inseln der Südsee finde, welch vollkommene Sicherheit, welche ungezügelte Freiheit man dort genießen könne, wie üppig das Leben, wie angenehm das Klima, wie wollüstig schön die Frauen seien. Noch war nichts Bestimmtes abgemacht; aber die Schilderungen des Halbblutes hatten sich der glühenden Einbildungskraft der Seeleute bemächtigt, und es war mehr als wahrscheinlich, daß sein Vorschlag durchgehen würde.
    Nach einer Stunde entfernten sich die drei Männer, und während dieses Tages betrat niemand weiter das Vorderkastell. Augustus lag bis zum Abend still. Dann streifte er Strick und Handschellen ab und machte sich an sein Vorhaben. In einer der Kojen fand er eine Flasche, füllte sie mit Wasser und seine Tasche mit kalten Kartoffeln. Zu seiner Freude entdeckte er auch eine Laterne mit einem Stückchen Talgkerze darin. Als es ganz dunkel war, kroch er durch das Loch in der Scheidewand, nachdem er die Vorsicht gehabt hatte, der Koje das Ansehen zu geben, als schliefe hier einer. Als er hindurch war, hing er seine Jacke wie vorhin an seinem Messer auf; das fehlende Stückchen Planke fügte er vorläufig nicht wieder ein. Er war jetzt im Zwischendeck und arbeitete sich wie gestern zwischen den Tranfässern und dem oberen Verdeck nach der Hauptluke hin. Hier zündete er

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