Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
bemerken, wie selbst die Allerleichtsinnigsten bleich wurden, die Aelteren und Gesetzteren aber mit der Hand über das Gesicht fuhren, als wären sie in einen verwirrten Traum oder in Nachdenken versunken. Wenn der Ton gänzlich verhallt war, ging ein schwaches Gelächter durch die Versammlung; die Musiker sahen einander an, lachten über ihre Reizbarkeit und Thorheit und gaben sich gegenseitig das Wort, daß, wenn die Glocke das nächste Mal tönte, in ihnen keine ähnliche Erregung mehr aufkommen sollte. Als aber nach Verlauf von sechzig Minuten sich der Klang wiederholte, entstand dieselbe Verwirrung, das gleiche Zittern und Nachdenken wie zuvor.
Trotz dieser Vorgänge war es aber doch ein herrliches und vergnügtes Fest. Der Fürst hatte einen ganz eigenthümlichen Geschmack. Sein Blick für Farben und Effekte war scharf. Er mißachtete das Decorum und die bloße Mode. Seine Pläne waren kühn und feurig, und seine Entwürfe trugen ein glühendes Gepräge. Wegen mancher unter ihnen hätte man ihn wohl für wahnsinnig halten können, aber Diejenigen, die ihn näher kannten, wußten, daß sich dieß nicht so verhielt. Man mußte ihn sehen, hören und berühren, um sich zu versichern, daß er nicht irrsinnig sei.
Er hatte die beweglichen Verzierungen der sieben Zimmer größtentheils bei Gelegenheit dieses großen Festes angeschafft, und auch der ganze Charakter des Maskenballs war seine Erfindung. Er war höchst wunderbar. Viel Glanz und Schimmer, viel Pikantes und Phantastisches; Figuren mit unpassenden Gliedern und sonstigen Anordnungen; Phantasien, als wenn sie aus dem Hirne eines Wahnsinnigen hervorgegangen wären. Hier viel Schönes, viel Muthwillen, viel Bizarres, vermischt mit Schrecklichem, aber nichts, was Abscheu hätte erregen können. Es war, als hätten sich in diesen sieben Zimmern eine Menge Träume verkörpert, und diese Träume schlichen sich aus und ein, nahmen die Färbung der Zimmer an und machten, daß die wilde Musik des Orchesters als das Echo ihrer Tritte erschien. Siehe, da schlägt die Ebenholzuhr, die in dem mit Sammet ausgekleideten Salon stand. Alles ist für einen Augenblick still und schweigsam, so daß man nur den Schlag der Uhr vernimmt. Die Traumgebilde sind wie fest gefroren auf ihre Stelle gebannt. Inzwischen verliert sich das Echo der Glockentöne, sie haben nur einen Augenblick gedauert, und ein schwaches, halbunterdrücktes Gelächter begleitet ihr Verschwinden. Jetzt erhebt sich wieder die Musik, die Traumbilder gewinnen Leben, schweifen lustiger hin und her denn zuvor und färben sich von den mannigfach bunten Fenstern, durch welche die Lichtstrahlen der Dreifüße dringen. Aber in das westliche der sieben Zimmer wagt sich keine Maske, denn die Nacht verschwindet; es strömt ein stärker geröthetes Licht durch die blutrothen Fensterscheiben; die Schwärze der dunkeln Bekleidung erbleicht, und wer den Fuß auf den Teppich setzt, der hört von der nahen Ebenholzuhr einen dumpfen, feierlichen Laut, während die, welche in den entfernteren Gemächern ihrer Lust fröhnen, davon nichts vernehmen.
Diese anderen Gemächer waren dicht mit Menschen angefüllt, deren Herzen wie im Fieber schlugen. Das Schwärmen und Tanzen dauerte fort, bis endlich die Uhr Mitternacht schlug. Die Musik schwieg, wie gewöhnlich; das Walzen hörte auf, und eine ängstliche Stockung im Ganzen trat ein, wie früher. Die Uhr schlug zwölfmal, während dem diejenigen unter den Schwärmenden, die überhaupt noch eines Gedankens fähig waren, mit mehr Zeit auch mehr sich dem Nachdenken hingeben konnten. Und so geschah es, daß, während die letzten Töne der Uhr verklungen waren, mehre der Anwesenden Zeit fanden, auf eine maskirte Figur aufmerksam zu werden, die zuvor noch Niemand bemerkt hatte. Das Flüstern über diese neue Erscheinung ging von Ohr zu Ohr, endlich aber entstand in der ganzen Gesellschaft ein Gesumse, ein Murmeln, welches deutlich ihre Mißbilligung und Ueberraschung, endlich aber ihr Entsetzen, ihren Schrecken und Widerwillen aussprach.
Man kann sich leicht denken, daß in einer so phantastischen Gesellschaft, wie wir sie soeben beschrieben haben, keine gewöhnliche Erscheinung einen solchen Eindruck hervorbringen konnte. Zwar hatte die Maskenfreiheit dieser Nacht keine Gränzen, aber die Gestalt, die hier auftrat, übersprang noch die Gränzen eines unbestimmten Decorums, die sich der Fürst gezogen hatte. Auch in den Herzen der sorglosesten Menschen giebt es Saiten, die man nicht ohne
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