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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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beschlossen worden war, daß eine Nachforschung angestellt werden sollte, verstand es sich eigentlich von selbst, daß die Suchenden sich verteilten – das heißt, in einzelnen Trupps auszogen –, um die Umgegend gründlich abzusuchen. Ich habe jedoch vergessen, mit welchen Gründen Karlchen die Versammelten bald überzeugte, wie ganz unverständig dieser Plan sei. Jedenfalls – er überzeugte sie, alle bis auf Herrn Kielfeder, und man kam schließlich überein, daß eine sorgsame und sehr gründliche Untersuchung von den Bürgern » en masse « vorgenommen werden sollte, unter Führung von Karlchen selbst.
    Was das anlangte, so hätte es keinen besseren Pfadfinder als Karlchen geben können, von dem alle wußten, daß er Luchsaugen besaß; doch obschon er sie in alle erdenklichen heimlichen Winkel und Höhlen führte und auf Wegen, die keiner je in der Nachbarschaft, vermutet hatte, und obschon die Nachforschungen Tag und Nacht fast eine Woche lang ununterbrochen fortgesetzt wurden, ließ sich doch keine Spur von Herrn Schützenwerth entdecken. Wenn ich sage, keine Spur, so muß man das aber nicht wörtlich nehmen; denn allerdings, eine gewisse Spur war vorhanden. Die Hufeisen des Pferdes (die von besonderer Art waren) ließen die Spur des armen Mannes auf der zur Hauptstadt führenden Landstraße bis in etwa drei Meilen Entfernung verfolgen. Hier leitete die Spur auf einen Nebenweg im Wald – der wieder auf die Landstraße zurückführte und etwa eine halbe Meile Abkürzung bedeutete. Der Trupp folgte den Hufspuren auf diesen Nebenpfad und gelangte zu einem sumpfigen Teich, der rechts vom Weg durch Brombeergestrüpp fast verborgen war, jenseits des Teiches aber blieb die Spur verschwunden. Man durchfischte den Teich zweimal mit großer Sorgfalt, fand aber nichts, und die Leute wollten sich gerade, am Erfolg verzweifelnd, entfernen, als die Vorsehung Herrn Guterjung den Gedanken eingab, man müsse das Wasser ganz und gar ablassen. Dieser Vorschlag wurde eifrig begrüßt, und Karlchen erhielt manch hohes Lob ob seiner Weisheit und Überlegung. Da viele der Bürger Spaten bei sich hatten, in der Erwartung, daß es vielleicht eine Leiche auszugraben gäbe, so wurde die Entwässerung des Teiches leicht und rasch bewerkstelligt, und kaum tauchte der Boden auf, da kam in der Mitte der zurückbleibenden Schlammfläche ein schwarzes Wams aus Seidenplüsch zum Vorschein, das von fast allen Anwesenden als das Eigentum des Herrn Kielfeder erkannt wurde. Das Wams war sehr zerrissen und blutbefleckt, und es gab unter den Leuten mehrere, die sich genau erinnerten, daß sein Besitzer es gerade an dem Morgen, als Herr Schützenwerth den Ritt zur Stadt unternahm, getragen habe; wohingegen wieder andre auf Verlangen bereit waren, zu beschwören, daß Herr Kielfeder das Kleidungsstück zu einer späteren Zeit als jenem denkwürdigen Tag nicht mehr angehabt habe; es war niemand aufzutreiben, der hätte aussagen können, es seit Herrn Schützenwerths Verschwinden je wieder gesehen zu haben.
    Die Dinge standen nun für Herrn Kielfeder sehr bedenklich, und als unwiderlegliche Bestätigung des Verdachtes, der sich gegen ihn erhob, erwies sich sein plötzliches Erbleichen und seine völlige Unfähigkeit, auf die Frage, was er zu seiner Verteidigung zu sagen habe, auch nur ein Wort zu erwidern. Daraufhin ließen ihn die wenigen Freunde, die sein leichtfertiger Lebenswandel ihm noch gelassen hatte, wie ein Mann im Stich und stimmten noch lauter als seine bekannten Feinde für seine augenblickliche Verhaftung. Andrerseits aber zeigte sich der Edelmut des Herrn Guterjung in um so hellerem Licht. Er hielt eine warme und sehr beredte Verteidigung zugunsten des Herrn Kielfeder, bei der er mehr als einmal darauf hinwies, daß er dem verwilderten jungen Mann aufrichtig vergeben, »dem Erben des ehrwürdigen Herrn Schützenwerth« die Kränkung aufrichtig vergeben habe, die er (der junge Mann), zweifellos in der Hitze der Leidenschaft, ihm (Herrn Guterjung) zuzufügen für richtig befunden habe. Er vergebe ihm, so sagte er, aus tiefstem Herzen, und was ihn selbst (Herrn Guterjung) angehe, so wolle er – weit entfernt, die Verdachtsmomente auf die Spitze zu treiben, die, wie er leider zugeben müsse, wirklich gegen Herrn Kielfeder zeugten –, so wolle er (Herr Guterjung) alles tun, was in seiner Macht stehe, seine ganze Beredsamkeit aufbieten, um – um – um – die schlimmen Anzeichen dieser so bestürzenden Angelegenheit soviel als möglich

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