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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Dutzend Leute wußten, daß es Herrn Kielfeder gehörte. Überdies waren seine Initialen auf dem Handgriff eingraviert. Die Klinge des Messers stand offen und war blutig.
    Nun blieb kein Zweifel mehr an des Neffen Schuld, und sogleich nach Ankunft in Schnatterburg wurde er einem Beamten zur Untersuchung vorgeführt.
    Hier nahmen die Dinge wiederum eine höchst ungünstige Wendung. Als der Gefangene befragt wurde, wo er sich am Morgen, als Herr Schützenwerth verschwand, aufgehalten habe, besaß er die volle Kühnheit, einzugestehen, daß er an eben diesem Morgen mit seiner Flinte auf den Anstand gegangen sei, in nächster Nähe jenes Teiches, worin man durch die Umsicht des Herrn Guterjung das blutbefleckte Wams entdeckt hatte.
    Dieser trat nun vor und bat mit Tränen in den Augen, verhört zu werden. Er sagte, ein strenges Pflichtbewußtsein gegenüber seinem Schöpfer und seinen Mitmenschen gestatte ihm nicht, noch länger zu schweigen. Bisher habe die aufrichtigste Zuneigung zu dem jungen Mann (ungeachtet der schlechten Behandlung, die dieser ihm, Herrn Guterjung, hätte zuteil werden lassen) ihn veranlaßt, alle nur erdenklichen Hypothesen heranzuziehen, um für die Herrn Kielfeder so sehr nachteiligen Verdachtsmomente eine Widerlegung zu finden; diese Umstand»seien jetzt aber allzu überzeugend, allzu belastend; er wolle nicht länger zögern – wolle alles sagen, was er wisse, wenngleich sein (Herrn Guterjungs) Herz zu brechen drohe. Er bekundete nun, daß am Nachmittag vor Herrn Schützenwerths Abreise zur Stadt dieser würdige alte Herr in seiner (Herrn Guterjungs) Hörweite zu seinem Neffen geäußert habe, der Zweck seiner Reise in die Stadt sei der, bei der »Farmers and Mechanics Bank« eine ungewöhnlich große Summe zu deponieren, und gleichzeitig habe genannter Herr Schützenwerth genanntem Neffen deutlich seinen unabänderlichen Entschluß zu verstehen gegeben, das ursprüngliche Testament umzustoßen und ihn mit einem Pflichtteil abzufinden. Er (der Zeuge) wandte sich nun an den Angeklagten mit dem feierlichen Ersuchen, zu bekunden, ob das, was er (der Zeuge) soeben ausgesagt habe, in allen wesentlichen Einzelheiten die Wahrheit sei oder nicht. Zum großen Erstaunen aller Anwesenden gab Herr Kielfeder offen zu, es sei die Wahrheit.
    Der Beamte hielt es nun für seine Pflicht, ein paar Polizisten mit einer Durchsuchung des Zimmers zu beauftragen, das der Angeklagte im Hause seines Onkels innegehabt hatte. Von dieser Haussuchung kehrten sie fast auf der Stelle mit der wohlbekannten metallbeschlagenen Brieftasche aus rotbraunem Leder zurück, die der alte Herr seit Jahren gewohnheitsmäßig bei sich trug. Ihr Wertinhalt war jedoch verschwunden, und der Untersuchungsrichter bemühte sich vergebens, dem Angeklagten ein Geständnis zu entlocken, was er mit ihm angefangen oder wo er ihn verborgen habe. Ja, er leugnete hartnäckig, irgend etwas darüber zu wissen. Die Polizisten hatten ferner zwischen Bettzeug und Matratze des Unglücklichen ein mit seinen Buchstaben gezeichnetes Hemd und Taschentuch gefunden, beides ekelhaft mit dem Blut des Opfers getränkt.
    Gerade jetzt wurde bekanntgegeben, daß das Pferd des Ermordeten soeben im Stall seinen Wunden erlegen sei, und von Herrn Guterjung wurde vorgeschlagen, sogleich eine Post-mortem-Untersuchung an dem Tier vorzunehmen, in der Absicht, wenn möglich die Kugel zu entdecken. Es geschah demgemäß, und wie um die Schuld des Angeklagten ganz außer Frage zu stellen, gelang es Herrn Guterjung nach längerem Suchen, in der Brusthöhle des Tieres eine Kugel von großem Kaliber aufzufinden und herauszuziehen, die, wie ein Versuch ergab, genau in den Lauf von Kielfeders Flinte paßte, aber bei weitem zu groß für jede andre Flinte in unserer Stadt und ihrer Umgebung war. Um die Sache immer gewisser zu machen, fand sich, daß diese Kugel einen Einschnitt oder Nahtstreifen aufwies, der sich zu der üblichen Gußnaht rechtwinklig verhielt, und bei einer Prüfung paßte dieser Nahtstreifen genau auf eine kreisförmige Erhebung in einer der Gußzangen, die der Angeklagte selber als sein Eigentum bezeichnete. Nach Auffindung dieser Kugel weigerte sich der Untersuchungsrichter, noch weitere Zeugen anzuhören, und schickte den Gefangenen sofort in Untersuchungshaft, indem er entschieden ablehnte, ihn gegen Bürgschaft freizugeben, obgleich Herr Guterjung mit Wärme gegen solche Strenge eintrat und sich erbot, in jeder gewünschten Höhe Sicherheit zu leisten. Diese

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