Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
Vom Netzwerk:
Wahnsinn, und Wahnsinn ist kein angenehmes Gefühl. Aber der König liebte nun einmal derbe Scherze, und darum machte es ihm Vergnügen, Hoppfrosch zu zwingen, sich zu betrinken und, wie der König es nannte, lustig zu sein.
    »Komm her, Hoppfrosch«, rief er, als der Hofnarr und seine Freundin in das Zimmer traten. »Schluck diesen Humpen auf das Wohl deiner fernen Freunde« – hier seufzte Hoppfrosch – »und dann gib uns eine Probe deiner Erfindungsgabe. Wir brauchen Charaktermasken – etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes. Wir haben es satt, immer wieder dasselbe zu sehen. Los, trink! Der Wein wird deinen Verstand schärfen.«
    Hoppfrosch versuchte, wie gewöhnlich, mit einem Scherz auf die Worte des Königs zu erwidern, aber es gelang ihm nicht. Er hatte zufällig gerade Geburtstag, und der Befehl, auf das Wohl seiner fernen Freunde zu trinken, trieb ihm die Tränen in die Augen. Manche schweren und bitteren Tropfen fielen in den Pokal, als er ihn demütig aus der Hand des Tyrannen entgegennahm.
    »Aha«, brüllte lachend der König, als der Zwerg widerstrebend den Becher leerte. »Sieh mal, was ein Glas guten Weines vermag! Deine Augen beginnen schon zu leuchten.«
    Der arme Bursche! Seine großen Augen glühten mehr als sie leuchteten, denn die starke Wirkung, die der Wein auf sein erregbares Gehirn ausübte, trat fast unmittelbar ein. Zitternd stellte er den Pokal auf den Tisch und stierte mit einem halbwahnsinnigen Blick auf die Anwesenden. Sie schienen alle höchst belustigt zu sein über den Erfolg, den der Spaß des König hatte.
    »Und nun ans Geschäft«, sagte der erste Minister, ein sehr dicker Mann.
    »Ja«, meinte der König, »also, Hoppfrosch, du mußt uns helfen. Charaktermasken, mein lieber Freund! Wir brauchen Charakter – wie alle – ha, ha, ha!« Und da das sicherlich ein Witz sein sollte, brachen alle sieben in das gleiche Lachen aus. Hoppfrosch lachte ebenfalls, obgleich nur schwach und etwas zerstreut.
    »Also los«, rief der König ungeduldig, »fällt dir nichts ein?«
    »Ich bemühe mich, etwas Neues auszudenken«, antwortete der Zwerg ausdruckslos, denn er war ganz verwirrt von dem Wein.
    »Du bemühst dich?« schrie der Tyrann wütend. »Was willst du damit sagen? Ah, ich verstehe. Du bist mißgestimmt und brauchst mehr Wein. Hier, trink dies!« Und er füllte von neuem den Pokal und bot ihn dem Krüppel an, der ihn, nach Luft schnappend, anstarrte.
    »Trink, sage ich!« brüllte setzt der Unhold, »oder beim höllischen Feind –«
    Der Zwerg zauderte, und der König wurde rot vor Wut. Die Höflinge grinsten. Trippetta aber, bleich wie der Tod, trat vor des Königs Stuhl und fiel auf die Knie, indem sie um Schonung für ihren Freund flehte.
    Der Tyrann betrachtete sie, außer sich vor Erstaunen über ihre Kühnheit, einige Augenblicke. Er schien nicht recht zu wissen, was er tun oder sagen sollte, um seinem Unwillen Ausdruck zu geben. Schließlich stieß er sie, ohne eine Silbe zu sprechen, heftig zurück und goß ihr den Inhalt des vollen Humpens ins Gesicht.
    Das arme Mädchen erhob sich, so gut sie es vermochte, und ohne nur einen Seufzer zu wagen, nahm sie wieder ihren früheren Platz unten am Tisch ein.
    Eine halbe Minute lang herrschte ein tödliches Schweigen, während dessen man das Fallen eines Blattes oder einer Feder gehört hätte. Es wurde durch einen leisen, aber scharfen und knirschenden Ton unterbrochen, der aus jeder Ecke des Zimmers zugleich zu kommen schien.
    »Was – was machst du da für ein Geräusch?« fragte der König, indem er sich wütend nach dem Zwerge wandte.
    Dieser schien sich jetzt ganz von seiner Trunkenheit erholt zu haben und sah fest und ruhig dem Tyrannen ins Gesicht, wobei er gleichmütig sagte:
    »Ich – ich? Wie könnte ich das gewesen sein?«
    »Das Geräusch schien von draußen zu kommen«, bemerkte einer der Höflinge. »Ich glaube, es war der Papagei am Fenster, der seinen Schnabel an den Drähten des Käfigs wetzte.«
    »So war es«, sagte der König, als beruhigte ihn diese Erklärung sehr. »Aber bei meiner Ritterehre, ich hätte schwören mögen, dieser Vagabund habe mit den Zähnen geknirscht.«
    Jetzt lachte der Zwerg (der König war ein viel zu großer Freund von Spaßen, um je an einem Lachen Anstoß zu nehmen) und zeigte zwei Reihen großer, fester und sehr grimmiger Zähne. Auch erklärte er sich gern bereit, so viel Wein zu trinken, wie man von ihm verlangte. Der Monarch war beruhigt, und Hoppfrosch, der einen frischen

Weitere Kostenlose Bücher