Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
einem Mann getötet wurde, den er gepeitscht hatte – war das etwa Featherstone?«
»Ich kann Ihnen nur erzählen, daß es eine Ansicht der Polizeidirektion ist, Mr. Bellamy. Und Featherstone wird doch wohl wissen, was die Polizei denkt. Aber sagen Sie mir, wo hält sich Savini auf? Haben Sie nichts von ihm gehört?«
Bellamy schüttelte den Kopf.
»Warum sollte ich denn etwas von ihm hören? Ich habe ihn hinausgeworfen, weil er versuchte, mich zu bestehlen. Es ist doch nicht sehr wahrscheinlich, daß er mir alle paar Tage ein Liebesbriefchen schickt. Was hält denn die Polizei von der Sache?«
»Die ist davon überzeugt, daß er sich immer noch hier in der Burg aufhält« erwiderte Spike.
Der Alte lachte grimmig.
»Denken Sie denn, ich unterhalte hier ein Genesungsheim für Verbrecher?« fragte er verächtlich. »Diese dummen Leute hier glauben natürlich jeden Unsinn, sie glauben ja auch an den Grünen Bogenschützen.«
»Und an die graue Frau« fügte Spike hinzu, der sich plötzlich an seinen Ausflug von heute nachmittag erinnerte.
Es trat eine Pause in der Unterhaltung ein, aber Gespräche mit Bellamy wurden häufig durch Schweigen unterbrochen. Spike konnte das Gesicht des Alten nicht sehen, der sich herumgedreht hatte und in das Kaminfeuer starrte. Aber plötzlich überkam Spike ein sonderbares Gefühl, als ob er fröre. Zuerst nahm er an, daß die Tür offenstände und ein kalter Luftzug von dort ihn träfe. Er wandte sich sogar um und wollte sie schließen, aber sie war fest zu. Dann begann Bellamy wieder zu sprechen, aber er hatte das Gesicht immer noch abgewandt.
»Was ist denn das für eine graue Frau, Mr. Holland?«
»Es ist eine ganz neue Erscheinung, die ich erst heute entdeckt habe. Einer von den Landleuten hat eine Frau gesehen, die im Klosterwald umherwandert, ungefähr drei Meilen von hier entfernt.«
»Und wer ist sie?«
»Hier in diesen ländlichen Gefilden ist alles grün« erwiderte Spike in Gedanken. »Die Leute dachten, es wäre ein Gespenst. Aber vielleicht ist es auch nur jemand, der viel frische Luft haben will und deshalb dorthin gegangen ist.«
»Sie sagten doch eben ›graue Frau‹ – wo hält sie sich denn auf?«
»Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, daß sie in einem Haus dort im Walde wohnt. Ich habe mir heute die Mühe gemacht, dorthin zu gehen und nachzuforschen, ich habe die Stelle auch gefunden, das Haus war aber vollkommen leer. Heute morgen noch muß jemand dort gewesen sein, ich bin nämlich in das Haus hineingegangen und habe mich genau umgesehen.«
Spike wollte sich mit Bellamy gut stellen, und es schien ihm kein Grund vorzuliegen, warum er ihm dieses kleine Abenteuer nicht erzählen sollte.
»Neue Schuhe, Medizinflaschen und Spuren von Automobilen« wiederholte Bellamy. »Das ist merkwürdig, sehr merkwürdig. Und sie war heute morgen da, wie Sie sagen?«
»Ich vermute es stark, denn die Spuren der Räder waren noch ganz frisch, sie hat scheinbar auch letzte Nacht in dem Bett geschlafen.«
»Wahrscheinlich ist es so, wie Sie sagen – sie wird in der Natur leben wollen.«
Jetzt erst wandte sich Bellamy um. Spike wollte seinen Augen nicht trauen, denn Abel schien viel älter geworden zu sein und sah noch häßlicher und abstoßender aus als sonst.
»Sie sind wirklich ein netter Kerl, Holland« sagte er langsam. »Als ich Ihnen neulich einmal Geld anbot, waren Sie so furchtbar beleidigt. Aber vielleicht kann ich Ihnen ein neues Auto kaufen. Fahren Sie gern Auto?«
»Ich bin gerade nicht so sehr davon entzückt, daß ich selbst einen Wagen brauchte« erwiderte Spike und wunderte sich, aus welchem Grunde Bellamy plötzlich so liebenswürdig und freigebig wurde.
»Sie können doch dann überall hinfahren und sich die Gegend ansehen. Aber ich glaube, ich nehme Ihre Zeit zu sehr in Anspruch. Kommen Sie morgen wieder. Sie können ruhig den Park absuchen. Ich werde dem Pförtner telephonische Anweisung geben, daß er Sie hereinläßt. Aber ich glaube, Sie werden nichts finden. Ich sagte Ihnen schon, das Gespenst hier in der Burg hält sich nur im Innern auf und kann besonders nasses, feuchtes Wetter nicht vertragen.«
Als Spike gegangen war, klingelte Bellamy nach Sen.
»Bringe mir einen Regenmantel und mache den Wagen fertig. Es ist möglich, daß ich lange Zeit fortbleibe.«
Diese ganze Nacht wartete Bellamy in strömendem Regen darauf, daß die Bewohnerin des einsamen Hauses im Klosterwald zurückkehren sollte. Er stand im tiefen Schatten der
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