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Edith Wharton

Edith Wharton

Titel: Edith Wharton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommer
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zu diesem kleinen
Ort herzustellen, haben sich nur zu einer pietätvollen Pilgerfahrt aufgemacht
und werden alsbald wieder in geschäftige Städte und zu einem Leben, das erfüllt
ist von bedeutenderen Aufgaben, zurückkehren. Doch ist das nicht der einzige
Weg, nach North Dormer zurückzukommen. Manche von uns, die in ihrer Jugend von
hier aufgebrochen sind ... die wie ihr aufgebrochen sind in geschäftige Städte
und zu bedeutenderen Aufgaben ... sind ganz anders zurückgekommen – für immer zurückgekommen.
Ich bin einer von diesen, wie viele von euch wissen ...« Er hielt inne, und
unter den Zuhörern breitete sich erwartungsvolle Stille aus. »Meine persönliche
Geschichte ist ohne Bedeutung, aber sie kann als Beispiel dienen: nicht so sehr
für jene von euch, die sich bereits an anderen Orten ein Leben aufgebaut haben,
als für die jungen Männer, die vielleicht eben jetzt daran denken, diese
stillen Hügel zu verlassen und sich ins Kampfgewühl zu stürzen. Dinge, die sie
jetzt nicht vorhersehen können, werden manche dieser jungen Männer vielleicht
eines Tages in diesen kleinen Ort und an ihren heimischen Herd zurückkehren
lassen: sie kehren vielleicht für immer wieder ...« Er
sah in die Runde und wiederholte feierlich: »Für immer. Das möchte ich
betonen ... North Dormer ist ein armseliger kleiner Ort, der sich beinahe
verliert in einer überwältigenden Landschaft: vielleicht wäre es heute ein
bedeutenderer Ort, entspräche mehr der Umgebung, wenn die, welche zurückkehren
mußten, mit dem inneren Gefühl zurückgekommen wären, daß sie für immer zurückkehren
wollten ... und nicht aus Not ... oder einfach aus Gleichgültigkeit ...
    Meine Herren, wir wollen die Dinge
so sehen, wie sie sind. Manche von uns sind in unseren Heimatort zurückgekehrt,
weil wir anderswo gescheitert waren. Auf die eine oder andere Weise waren
unsere Pläne fehlgeschlagen ... hatten sich unsere Träume nicht erfüllt. Aber
daß wir anderswo gescheitert sind, ist noch kein Grund, hier zu scheitern.
Gerade unsere Bemühungen an bedeutenderen Orten, selbst wenn sie nicht erfolgreich
waren, hätten uns dazu verhelfen sollen, North Dormer zu einem bedeutenderen
Ort zu machen ... und ihr, ihr jungen Männer, die ihr euch eben jetzt rüstet,
dem Ruf eures Ehrgeizes zu folgen und der alten Heimat Valet zu sagen – nun,
laßt euch das von mir gesagt sein: wenn ihr je in die alte Heimat zurückkehrt,
dann lohnt es sich, um ihretwillen zurückzukehren ... Und dazu müßt ihr sie lieb
behalten, während ihr in der Ferne seid; und selbst wenn ihr gegen euren Willen
zurückkommt – und denkt, das alles sei nur ein bitterer Irrtum des Schicksals
oder der Vorsehung –, müßt ihr versuchen, das Beste daraus zu machen und das
Beste für eure alte Stadt; und nach einer Weile – nun, meine Damen und Herren,
ich gebe Ihnen mein Rezept, was immer es taugen mag –, nach einer Weile werdet
ihr vermutlich sagen können, so wie ich heute sagen kann: ›Ich bin froh,
daß ich hier bin.‹ Glaubt es mir, ihr alle, am besten dienen wir dem Ort, an
dem wir leben, wenn wir uns freuen, hier zu leben.«
    Mit diesen Worten endete er, und ein
ergriffenes, überraschtes Gemurmel ging durch das Publikum. Die Rede entsprach
nicht im mindesten dem, was man erwartet hatte, aber sie bewegte die Leute
mehr als alles, was sie erwartet hatten, sie bewegt hätte. »Bravo, bravo!« rief
eine Stimme in der Mitte des Saals. Ein Beifallssturm nahm den Ruf auf, und
als er allmählich verebbte, hörte Charity, wie Mr. Miles zu jemandem in seiner
Nähe sagte: »Das war die Rede eines Mannes ...« Er wischte seine
Brillengläser.
    Mr. Royall hatte das Rednerpult
verlassen und seinen Platz in der Stuhlreihe vor dem Harmonium eingenommen.
Ein eleganter weißhaariger Herr – ein entfernter Verwandter der Hatchards —
begab sich nach ihm hinter das mit Goldruten geschmückte Pult und begann,
hübsche Dinge zu sagen über den alten Eicheneimer, über geduldige weißhaarige
Mütter, über das Wäldchen, in das die Jungen früher zum Nüssesammeln gingen
... und Charity begann sich wieder nach Harney umzusehen ...
    Plötzlich schob Mr. Royall seinen
Stuhl zurück, und einer der Ahornzweige vor dem Harmonium fiel krachend um. Er
gab die Sicht auf das Ende der ersten Reihe frei, und auf einem der Stühle
erblickte Charity Harney und daneben eine Dame, deren Gesicht ihm zugewandt war
und beinahe von der Krempe ihres Hutes verdeckt wurde. Charity brauchte das
Gesicht nicht zu

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