Edith Wharton
»Ich hab' den Ofen gebracht«, sagte der Alte mit
dem glatten Haar, während er sich den Weg zwischen den anderen hindurch bahnte.
»Ich bin runter nach Creston und hab' ihn gekauft ... also hab' ich das Recht,
ihn rauszunehmen ... und ich geb' jedem eins aufs Maul, der behauptet, daß das
nicht stimmt ...«
»Hock dich hin, Mistkerl!« schrie
der große junge Mann, der auf der Bank vor sich hingedämmert hatte.
»Sie gehen daher wie ein Schatten
und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es
einbringen wird ...«
»Aber es ist seiner«, warf
eine Frau aus dem Hintergrund in erschrecktem Jammerton ein.
Der große junge Mann erhob sich
schwankend. »Wenn ihr nicht euer Maul haltet, schmeiß' ich euch alle raus, und
zwar alle miteinander«, rief er unter vielen groben Flüchen. »Nur zu,
Pfarrer ... Lassen Sie sich nicht stören ...«
»Nun aber ist Christus auferstanden
von den Toten und der Erstling geworden unter denen, die da schlafen ... Sehet,
ich sage euch ein Geheimnis: wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber
alle verwandelt werden, plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten
Posaune ... Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies
Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche wird
anziehen die Unverweslichkeit und dies Sterbliche wird anziehen die
Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht:
›Der Tod ist verschlungen in den Sieg‹ ...«
Eines nach dem anderen fielen die
feierlichen Worte auf Charitys gebeugten Kopf, linderten den Schrecken,
dämpften den Aufruhr, bezwangen sie ebenso, wie sie die alkoholbetäubten
Geschöpfe hinter ihr bezwangen. Mr. Miles las die letzten Worte und schloß dann
das Buch.
»Ist das Grab bereit?« fragte er.
Liff Hyatt, der während der Lesung
hereingekommen war, nickte ein Ja und drängte sich bis neben die Matratze vor.
Der junge Mann auf der Bank, der auf eine Art Verwandtschaft mit der Toten zu
pochen schien, stand wieder auf, und der Besitzer des Ofens schloß sich ihm an.
Gemeinsam hoben sie die Matratze hoch; ihre Bewegungen waren aber so unsicher,
daß der Mantel zu Boden glitt und den armen Leichnam in seiner hilflosen
Erbärmlichkeit enthüllte. Charity hob den Mantel auf und deckte ihre Mutter
wieder zu. Liff hatte eine Laterne mitgebracht; die alte Frau, die zuvor
gesprochen hatte, ergriff sie und öffnete die Tür, um die kleine Prozession
hinauszulassen. Der Wind hatte aufgehört, und die Nacht war
stockdunkel und bitterkalt. Die alte Frau ging mit der schwankenden Laterne voraus, die einen blassen Fleck dürren
Grases und struppigen Unkrauts beleuchtete, während um sie herum alles in
tiefstem Dunkel lag.
Mr. Miles nahm Charity beim Arm, und
nebeneinander gingen sie hinter der Matratze her. Schließlich hielt die alte
Frau mit der Laterne an, und Charity sah, wie das Licht auf die gekrümmten
Schultern der Träger und auf einen Erdaushub fiel, über den sie sich beugten.
Mr.
Miles ließ ihren Arm los und ging zu
der Mulde auf der anderen Seite des Erdhügels hinüber; und während die Männer
sich bückten und die Matratze in das Grab hinunterließen, begann er erneut zu
sprechen.
»Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt
kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und
bleibt nicht ... Aber dennoch, du unser Herr und Gott, Allmächtiger, du heiliger
und barmherziger Erlöser, überantworte uns nicht den bitteren Qualen des ewigen
Todes ...«
»Vorsichtig da ... Ist sie unten?«
wisperte der Mann, der den Ofen beanspruchte; und der junge Mann rief über die
Schulter gewandt: »Halt mal die Laterne höher, ja?«
Eine Pause entstand, während der das
Licht unsicher über dem offenen Grab hin und her schwankte. Jemand bückte sich
und zog Mr. Miles' Mantel herauf (»Nein, nein, laß das Tuch liegen«,
protestierte der Pfarrer), und dann kam Liff Hyatt mit einem Spaten und begann,
Erde hineinzuschaufeln.
»Allsofern es Gott dem Allmächtigen
in seiner großen Barmherzigkeit gefallen hat, die Seele unserer lieben
entschlafenen Schwester zu sich heimzuholen, übergeben wir ihren Körper dem
Grab; Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub ...« Liffs magere Schultern
hoben und senkten sich im Licht der Laterne, während er die Erdbrocken in das
Grab schaufelte. »Gott, sie ist schon gefroren«, murmelte er, spuckte in die
Hände und wischte sich mit dem zerlumpten Hemdsärmel
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