Effington 06 - Verborgene Verheissung
Townsend sehen.«
Colette warf ihm noch einen prüfenden Blick zu, und Marcus richtete sich unwillkürlich etwas auf und hob sein Kinn ein wenig. Sie nickte befriedigt. »Möglicherweise passt er doch zu unserer Gwendolyn.«
»Still, Colette«, gab Madame entschieden zurück. »Das ist allein ihre Entscheidung.«
Colette zog die wohlgeformten Schultern hoch. Einen Moment später war er allein in dem allzu weiblichen Salon.
Ihre Entscheidung?
Marcus hatte die Möglichkeit, dass Miss Townsend dieser Hochzeit genauso widerstrebend gegenüberstand wie er, nie in Betracht gezogen. Die Dame war eine ehemalige Gouvernante. Sie würde selbstverständlich freudig die Chance einer Ehe ergreifen.
Und, in aller Bescheidenheit, er galt doch als gute Partie. Er hatte einen einwandfreien Titel. Sein Vermögen war, zumindest momentan, mehr als ansehnlich. Sein Ru f war nicht schlechter als der seiner Freunde und besser als der der meisten Männer. Er war ein geistreicher Gesprächspartner und ein humorvoller Beobachter, und es gab kaum ein gesellschaftliches Ereignis, auf dem er nicht nur willkommen, sondern unbedingt erwünscht war. Und zu guter Letzt galt er auch noch als sehr gut aussehend.
Nur diese äußerst absonderlichen Umstände konnten ihn in die merkwürdige Situation bringen, einer vollkommen fremden Frau einen Heiratsantrag zu machen. Und dann auch noch einer Gouvernante. Ungeachtet der Vergangenheit seiner Mutter und ihrer Vorträge über Charakterbildung war er nicht an einer Ehefrau interessiert, die vormals eine bessere Dienstbotin gewesen war. Aber er musste wohl diesen Weg gehen.
Er würde das junge Ding einfach heiraten und dadurch sein Vermögen retten. Sie würde ihm einen Erben schenken, und sicherheitshalber noch einen zweiten. Danach konnte sie, was ihn betraf, ihr eigenes Leben führen. Er jedenfalls hatte die Absicht, das zu tun.
Ihre Ehe würde ein Arrangement zu ihrer beider Vorteil sein. Marcus' Vermögen würde sicher in seiner Hand bleiben. Er würde der zukünftigen Countess of Pennington ein angemessenes Leben finanzieren, und obendrein würde sie, laut Whiting, ein beträchtliches eigenes Einkommen aus dem Erbe ihres Vaters erhalten. Es würde ihr sozial und finanziell an nichts fehlen.
Das waren seine Bedingungen, und er ging davon aus, dass keine Frau bei klarem Verstand diese ablehnen würde. Das war nicht das, was er sich von einer Ehe erhofft hatte; doch er hatte lange genug nach einer Frau gesucht, die seinen Träumen und Sehnsüchten entsprach, und sie nicht gefunden. Nun blieb ihm keine Wahl mehr.
Ihre Entscheidung.
Er schnaubte ungläubig. Es war ganz sicher nicht ihre Sache. Diese Ehe und alle anderen Abmachungen waren seine Sache. Warum um Himmels willen sollte sie nicht ja sagen?
Zum Henker, er war der Earl of Pennington, und sie war eine fast mittellose Gouvernante. Welche Frau in ihrer Position würde ihn und alles, was er zu bieten hatte, nicht wollen?
Er hörte Stimmen von draußen und wandte sich der Tür zu. Er setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf und wappnete sich für die erste Begegnung. Wenn sie stämmig, untersetzt und resolut war, dann könnte er das ertragen. Er hatte seinen Pächtern und Angestellten wie auch seiner Familie gegenüber eine Verantwortung.
Er seufzte resigniert. Nein, sein Vermögen aufzugeben kam nicht in Frage. Er musste tun, was das Beste für alle Beteiligten war, egal, was er sich selbst wünschte. Nicht, dass er sich momentan besonders großherzig fühlte. Es war nun einmal seine Pflicht, und er würde sich seinen traditionellen und angeborenen Verpflichtungen stellen. Gleich wie furchtbar das — sie — auch sein mochte.
Die Tür öffnete sich, und die zukünftige Lady Pennington trat ein.
Marcus' Herz schlug dumpf.
Ihr Kleid war altmodisch, schlecht sitzend, von einem ausgeblichenen Grau; dennoch konnte es die Andeutungen einer wohlgeformten Figur nicht ganz verbergen. Ihr Haar war dunkelrot, die Farbe feinsten Mahagonis, und zu einem unordentlichen Dutt aufgesteckt. Sie müsste ihm gerade bis zum Kinn reichen. Ihre Blicke trafen sich. Ihre Wangen färbten sich rot, die blauen Augen weiteten sich. Sie war erschrocken, da sie ihn wiedererkannte. Ihm ging es nicht anders.
Er starrte sie lange an, und ein Gefühl, das für einen Mann seines Formats viel zu ungezwungen war, durchfuhr ihn. Es war eine seltsame Mischung aus Erheiterung und Ironie und Erleichterung und ... Dankbarkeit. Und viel zu mächtig, um dagegen
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