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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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«, räume ich ein.
    » Das römische Reich war mächtig geworden«, sagt er. »Judäa war eine Art lokales Königreich mit Herodes als König , doch in Wirklichkeit wurde es von Rom durch Pontius Pilatus gesteuert. Für die Bevölkerung war Rom eine weit entfernte, aber störende Eiterbeule. Die Gesellschaft bestand aus einer wahren Menagerie von Sekten und Gruppierungen, Verleumdern und Landesverrätern, Priestern und Propheten, Banditen, Mördern und Betrügern. «
    » Wie jede heutige Großstadt «, sage ich und nehme ihm die Flasche ab. Der Cognac schmeckt warm, betäubend.
    Peters Gesicht strahlt Abwesenheit aus, eine Entrücktheit, wie sie manchen Menschen eigen ist, wenn sie von einer Sache vollkommen gefesselt sind und glauben, es gehe auch den anderen so. » Es waren revolutionäre Zeiten! «, sagt er. » Die Zeloten vereinten Pharisäer, Essäer und andere zu einer politischen und militärischen Bewegung in der Zeit um Christi Geburt. Jesus wurde genau in den Beginn einer hundertvierzig Jahre währenden Revolte hineingeboren. Und alle, alle warteten nur auf den Messias. Den Erlöser. Einen politischen und religiösen Führer. «
    » Und den haben sie bekommen. «
    » Na ja … « Er runzelt die Stirn. » Haben sie das? Lass uns mal die Sprache anschauen, die Semantik. In unserer Zeit haben die Worte Messias und Erlöser eine andere Bedeutung als damals. › Messias ‹ heißt auf Griechisch › christós ‹ –› Christus ‹. Auf Hebräisch und Griechisch ist damit › der Auserwählte ‹ gemeint, oder › der Gesalbte ‹. Eine Art König oder Führer. «
    » Ein Anführer? «
    » Genau. Tatsächlich haben all die jüdischen Könige, die von David abstammten, die Bezeichnung Messias getragen. Sogar die Priester, die die Römer zu regionalen Königen ausgerufen hatten, bezeichneten sich selbst als › Messias ‹. Doch für die Zeloten war keiner von ihnen der wahre Messias. Ihr Erlöser sollte ein Nachkomme von David sein. Der Traum vom Messias grenzte an Hysterie. Aber du musst bedenken: Es war in erster Linie kein Gott, den sie erwarteten, sondern ein König. Ein Anführer! › Messias ‹ war eine politische Bezeichnung. Der Gedanke an Gottes Sohn, wie wir Jesus heute sehen, war ihnen ziemlich fremd. Stattdessen dachten sie, das Reich Gottes könnte jeden Tag anbrechen. «
    » Aber es ist Gottes Sohn, an den wir glauben und an den wir in der heutigen Zeit unsere Gebete richten «, sage ich.
    » Noch immer. Hunderte Millionen Menschen. Überall auf der Welt. «
    Peter hebt einen Stein auf und wirft ihn in die Nacht. Wir hören, wie er zu Boden fällt und ein wenig weiterhüpft, ehe er zur Ruhe kommt. » So ist es «, sagt er.
    Ich nehme einen Schluck Cognac. » Und jetzt sagst du mir, der goldene Schrein könnte etwas enthalten, das den Glauben möglicherweise erschüttert? «, frage ich.
    » Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht! Kann sein … «
    Er holt tief Luft. » Du fragst mich, was ich glaube? Ich glaube, dass da irgendetwas in deinem Schrein ist … « Er hält inne , als habe er jemanden im Dunkel bemerkt, der uns belauscht. Ich versuche, etwas zu erkennen, und spitze meine Ohren, aber ich kann nichts hören, keinen Laut, kein Rascheln von Kleidern, keinen Fuß auf einem Zweig. Ich wende mich wieder Peter zu. Er sieht weg. Ich reiche ihm die Flasche. Er nippt mehrmals kurz und kühlt seine Kehle dann mit tiefen Atemzügen.
    Wir lauschen der Stille.
    » Du hast gesagt «, beginne ich wieder, » du glaubst, dass in dem Schrein etwas ist … «
    » … das unser Verständnis der Geschichte verändern kann «, fährt er fort. » Und des Christentums. «
    Ich sage nichts. Aber ich denke, dass sich so das hysterische Interesse an dem Schrein erklären ließe.
    Er hebt noch einen Stein auf und wirft ihn. Vielleicht hat dieser Stein schon fünfhundert Jahre ungestört an seinem Platz gelegen. Der Flug durch die dunkle Luft muss wie ein Schock für ihn sein. Jetzt liegt er wieder still. Vielleicht für die nächsten fünfhundert Jahre.
    » Kannst du dich etwas genauer ausdrücken? «, frage ich.
    Er schüttelt langsam den Kopf.
    » Aber warum sollte ausgerechnet dieses Manuskript so wichtig sein? «, frage ich. » Vielleicht enthält der Schrein … Psalme? … Gedichte? … den geheimen Liebesbrief eines Papstes? Oder etwas Ähnliches? «
    Peter kichert, tritt mit dem Fuß gegen eine Wurzel, die aus der Erde ragt. » Mein Freund, ein Manuskript, das in einem goldenen Schrein in ein

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