Egeland, Tom
lesen, in der sich die Propheten und Evangelisten befanden. «
Ich grunze. Nehme noch einen Schluck. Jemand macht in der Bibliothek das Licht an. Die Glaskuppel im Dach blinkt widerstrebend neonblau, als seien die Leuchtstoffröhren in einen tiefen Schlaf gefallen, aus dem sie nicht erwachen wollen.
» Ich habe Schwierigkeiten, den Zusammenhang zwischen der Bibelgeschichte und den Johannitern zu sehen «, sage ich.
» Die kamen viel später dazu. Als Verwalter und Beschützer des Wissens, das der Schrein barg. Und birgt. Die Johanniter verlegten ihren Sitz nach dem Fall von Jerusalem im Jahre 1187 in die Kreuzritterburg Akkon. Hier waren sie mehr als hundert Jahre. « Er zögert. » Nur wenige wissen, dass sich die Johanniter in ihrer Zeit in Akkon geteilt haben. «
» Geteilt? «
Ich spüre, dass diese Information wichtig ist, ohne zu wissen, warum. Seine Augen glühen im Dunkeln. » Das mag bedeutungslos sein. Die wenigsten Historiker und Religions forscher wissen, dass der Orden geteilt wurde. Und noch weniger, warum. Der historisch bekannte Zweig zog weite r n ach Zypern und Rhodos, später nach Messina, Sizilien, und 1530 nach Malta. «
» Und der andere? «
» Verschwand! Oder genauer gesagt – ging in den Untergrund. «
» Warum? «
» Ich weiß es nicht. «
» Aber? «
» Lass uns spekulieren. Was, wenn der geheime Zweig ein Geheimnis verwaltet? Wenn es seine einzige Funktion ist, ein Wissen weiterzutragen? Und dieses Wissen zu schützen? «
» Und wer sollte sich um all das kümmern? «, frage ich.
» Vielleicht hat auch dieser Zweig noch immer einen Herrenmeister? «
» Du meinst, die Johanniter haben neben dem offiziellen noch einen anderen Herrenmeister? «
» Einen Herrenmeister, von dem nicht einmal die Mitglieder des Johanniterordens etwas wissen. Einen geheimen Herrenmeister. «
» Was wollen sie mit ihm, wenn er so geheim ist? «
» Vielleicht ist er es, der das Wissen um die Vergangenheit bewahrt. Vielleicht ist er es, der das Manuskript haben muss. «
» Ist das eine Frage? «, erkundige ich mich.
» Ich rate nur. «
» Du weißt etwas. «
Peter verdreht die Augen. » Ich? Was soll ich wissen? Was um alles in der Welt hatten die Johanniter im Norden verloren? Im fernen, kalten Norwegen? Warum hätten sie auf die Idee kommen sollen, etwas in einem Oktogon fast am Ende der Welt zu verstecken? «
Ich antworte nicht. Ich sage auch nichts dazu, dass er von dem Oktogon weiß. Ich habe ihm nichts davon erzählt. Er muss außergewöhnlich gut informiert sein.
» Vielleicht «, sage ich, » handelt es sich um eine Karte? «
» Für was? «
» Einen Schatz? «
» Schatz? « Peter scheint nicht zu verstehen. » Was für einen Schatz? «
» Tja … das versteckte und vergessene Vermögen der Merowingerdynastie. «
Er bricht in Lachen aus. » Du bist also einer von denen, die diese Räubergeschichte glauben? Dass es irgendwann in der Geschichte Menschen gegeben hat, die ihre Reichtümer so gut versteckt haben, dass sie bis heute nicht gefunden worden sind. «
» Ich glaube eigentlich nichts. Ich stelle Spekulationen an. Wie du. «
» Lass mich nur eins sagen: Neben den historischen Konspirationstheorien über Freimaurer und Juden müssen auch diese Schatzgeschichten zu den lebensfähigsten und dauerhaftesten Gerüchten gehören. «
» Meinst du? Vielleicht ist ja etwas dran? «
» Das Problem ist, dass ein unvorstellbar reicher Mensch so unvorstellbar dumm gewesen sein muss, seine Reichtümer zu vergraben oder zu verstecken, statt sie jemandem zu übergeben, dem er voll und ganz vertraut. « Er grinst. » Denk dran, dass reiche Menschen größtenteils reich geworden sind, weil sie das Geld lieben und alles, was es mit sich bringt! Niemand würde sein Geld wegschaffen, ohne seinen engsten Angehörigen zu sagen, wo es ist. «
» Wenn das jemand herausfinden kann, dann doch wohl ihr «, sage ich.
Er schnaubt etwas, das vermutlich eine Bestätigung ist.
Ich räuspere mich nervös. » Peter, bist du christlichen oder jüdischen Glaubens? «
Er atmet ein, ein pfeifendes, angestrengtes Geräusch. » Wa s i ch glaube «, sagt er leise, » spielt keine große Rolle. Mich interessiert mehr, was ich weiß. «
∗ ∗ ∗
S päter, als wir den Flachmann geleert haben und zum Institut zurückgehen, stolpert Peter beinahe über eine Wurzel. Nur meine blitzschnelle Reaktion hindert ihn daran, über einen Abhang in die Tiefe zu stürzen. Er murmelt einen Dank, der entweder mir gilt oder
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