Egeland, Tom
gebracht. Weil ich Sie gerne hierher einladen wollte. Nach Rennes-le-Château. In mein Zuhause. Sie werden bald verstehen, warum. «
» Was für ein Haus ist das? «
» Um ehrlich zu sein, handelt es sich um eine Burg. «
» Ihre eigene kleine Burg, was? «
» Eine alte Kreuzritterburg. Sie ist seit einiger Zeit im Besitz meiner Familie. «
» Ich weiß, was Sie meinen «, sage ich. » Meine Familie hat auch so ein paar mittelalterliche Burgen. «
∗ ∗ ∗
S päter führt mich MacMullin aus dem Zimmer über einen dunklen Flur zu einer breiten Granittreppe. Wir gehen langsam. Er stützt mich unter dem Arm.
Am Ende der Treppe öffnet er eine schwere Tür, dann befinden wir uns auf einem Dach zwischen Türmen und Spitzen, auf einem schmalen Gang, umgeben von einer Brustwehr. Die Aussicht ist atemberaubend. Die Luft ist lau und voller Düfte.
Wir blicken über die Landschaft. » Gefällt es Ihnen? «, fragt er.
Er deutet nach Südosten. » Das Gebirge, das Sie dort sehen, heißt Bézu. Dort liegt eine mittelalterliche Festung, in der die Tempelritter Zuflucht fanden. Dort bildeten sie auch ihre Leute aus. Es gibt hier hunderte von Kirchen. Viele davon sind auf heiligem Grund errichtet worden. In vergessenen Gräbern liegen angeblich Apostel, Propheten und Heilige. Z u h underten! Im Osten von uns «, er dreht sich etwas zur Seite und streckt die Hand aus, » liegen die Ruinen des Schlosses Blanchefort. Der vierte Großmeister der Tempelritter, Bertrand de Blanchefort, wohnte im zwölften Jahrhundert dort. «
» Ihr Makler darf das hier ruhig als bessere Wohngegend anpreisen, wenn Sie die Burg mal loswerden wollen «, sage ich.
MacMullin lächelt höflich. » Im Mittelalter war das hier fast so etwas wie ein Ballungsgebiet«, sagt er. »Rund um Rennes-le-Château lebten angeblich bis zu dreißigtausend Menschen. Die Region lag nicht weit vom Mittelmeer und den Handelsrouten entfernt, unweit von Spanien und Italien, ja in einem Teil von Frankreich, der in vielerlei Hinsicht zentral war. «
» Da Sie mir die Burg wohl kaum verkaufen wollen: Was wollen Sie mir eigentlich sagen? «
MacMullin tritt an die Mauer und setzt sich in eine Zinnenscharte. » In den Sechzigerjahren wurde in einem französischen Magazin ein Artikel veröffentlicht, der bei all den Lesern, die zwischen den Zeilen zu lesen vermochten, großes Interesse weckte «, erzählt er. » Der Artikel trug dazu bei, dass eine ganze Reihe pseudowissenschaftlicher Sachbuchautoren ihre Vermutungen anzustellen begannen, welche Geheimnisse dieser Ort birgt. Bücher, die wiederum dazu geführt haben, dass immer mehr Touristen den Weg hierher finden. «
»Geheimnisse?«
»In dem Artikel wurde die Geschichte von Bérenger Saunière erzählt.«
» Dem Priester … «
» Ein dreiunddreißigjähriger Mann, der im Juni 1885 als neuer Landpfarrer hierher nach Rennes-le-Château kam. «
» Was war an ihm so besonders? «
» Es war ein Mysterium, warum er hier gelandet ist, in s o e inem abgelegenen Dorf mit wenigen hundert Seelen. Er hatte sich während seines Studiums eine großartige Zukunft ausgemalt. Irgendetwas muss geschehen sein. Vermutlich hat er seine Vorgesetzten provoziert, sonst wäre er wohl kaum in einem derart abgelegenen Nest gelandet. «
» Aber es ist doch schön hier. «
MacMullin lehnt sich an die Mauer. » In den Jahren zwischen 1885 und 1891 hatte Saunière ein bescheidenes Jahresein kommen, gerade genug für ein anständiges Leben. Wofür sollte man hier sein Geld auch ausgeben? « Er lasst seinen Blick über die karge Landschaft schweifen. » Saunière war ein engagierter Pfarrer. Gemeinsam mit dem Pfarrer des Nachbardorfs, Abbé Henri Boudet aus Rennes-le-Bains, begann er, die Lokalgeschichte zu studieren. «
MacMullin streckt seine Hand aus, um anzuzeigen, in welcher Richtung Rennes-le-Bains liegt. Eine Wolke legt den Berghang in Schatten.
Lange Zeit hegte Saunière den Wunsch, die verfallene Kirche zu restaurieren. Die eigentliche Hauptkirche stammt aus dem Jahre 1059, war aber damals bereits auf den Fundamenten einer Kirche aus dem sechsten Jahrhundert errichtet worden. 1891 lieh sich Saunière einen kleineren Betrag aus der Dorfkasse und begann mit der Restaurierung. Als eine der ersten Maßnahmen entfernte er die Altarsteine. Dabei kamen zwei Säulen zum Vorschein, von denen eine hohl war. In diesem Hohlraum fand er vier Pergamentrollen in versiegelten Holzröhren. Zwei der Pergamente beinhalteten angeblich Ahnenreihen.
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