Egeland, Tom
knistern und knacken.
Er räuspert sich. » Wie ich gehört habe, haben Sie mit Diane gesprochen? «
Ich sehe in die Flammen. » Grethe ist ihre Mutter. «
» So ist es. «
» Wir haben viel gemeinsam, Sie und ich. «
» Es tut mir Leid, dass es so enden musste «, sagt er. » Mit Ihnen und Diane. Und … allem. «
» Warum heißen Sie Michael MacMullin? «, frage ich.
Er sieht mich verwundert an. » Was für einen Namen hätten Sie denn vorgezogen? «
» Sie gehören dem alten französischen Adel an. Warum ein schottischer Name? «
» Weil mir der Klang gefällt. «
» Dann ist es nur ein Rufname? «
» Ich habe so viele Namen. «
» Viele? Wie das denn? Und warum schottisch? «, frage ich noch einmal.
» Es ist der Name, der mir am besten gefällt. Einer meiner Vor fahren, Franz II., heiratete Maria Stuart, die am französischen Hof aufwuchs und starke Bande zu Frankreich unterhielt. Sie wissen sicher über die Geschichte Bescheid. Ehe er recht überraschend dahinschied, hatte er eine kurze Affäre mit einem vornehmen Fräulein des mächtigen schottischen MacMullin-Clans. «
Er nippt an seinem Sherry. Zwischen uns vibriert eine unsicht bare Membran aus beidseitiger Unsicherheit. MacMullin zieht sich in sich selbst zurück. Ich schicke meinen Blick und meine Aufmerksamkeit auf Entdeckungsreise durch das große Zimmer.
Schließlich muss ich mich dem Druck der Stille beugen.
» Sie baten mich zu kommen? «, frage ich.
Sein Blick begegnet dem meinen mit einem verspielten Leuchten, als versuche er herauszufinden, wie sehr er meine Geduld in Anspruch nehmen kann.
» Gestern «, sagt er, » habe ich Ihnen von den Pergamenten erzählt, die der Pfarrer Bérenger Saunière bei der Restaurierung der alten Kirche gefunden hat. «
» Und heute Abend? «, frage ich lachend, herausfordernd. Ich fühle mich wie in Tausend und einer Nacht. Wenn auch Scheherazade sicher hübscher war als MacMullin.
» Heute Abend «, sagt er, » will ich erzählen, was die Pergamente verrieten. «
» Etwas über die Ahnentafel? «
» Eine Genealogie. Und noch viel mehr. «
MacMullin holt tief Luft, hält den Atem an und bläst die Luft durch die Lippen wieder aus. Es hört sich an wie ein einziges, lang gezogenes Seufzen.
» Andeutungen, was eigentlich geschah «, sagt er.
» Eigentlich? «
Er reibt sich hart die Hände, als versuche er, ein Paar unsichtbare Handschuhe abzustreifen. » Vorgestern habe ich etwas erzählt, das Sie nur schwer glauben konnten. «
» Sie sprechen von der Kreuzigung. «
MacMullin antwortet nicht sofort. Er scheint nur widerwillig etwas preisgeben zu wollen.
» Die Kreuzigung Jesu «, beginnt er, » ist sowohl ein historisches Ereignis als auch ein religiöses Symbol. Das Christentum basiert auf dem Dogma, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. «
» MacMullin «, frage ich und beuge mich im Sessel vor, » welchen Glauben haben Sie eigentlich? «
Er ignoriert meine Frage. » Wenn Jesus nicht am Kreuz starb und die Auferstehung eine Fälschung ist, ja, wer war er dann? «
» Ein Aufrührer. Ein Verkünder. Und ein großer, humanisti scher Philosoph «, schlage ich vor. » All das haben wir doch schon besprochen. «
» Aber kein Gott «, ergänzt MacMullin. » Und ganz sicher nicht Gottes Sohn. «
» Sie müssen Jude sein. «
» Mein Glaube «, sagt er, » tut nichts zur Sache. Ich gehöre keiner Kirche an. Ich glaube an eine Kraft, die sich nicht mit Worten beschreiben und zwischen Buchdeckeln einfangen lässt. Und die sicher nicht im Besitz von Priestern oder Propheten ist. « Er schüttelt den Kopf. » Aber was ich glaube und warum, können wir an einem anderen Abend besprechen. «
» Erklären Sie mir «, bitte ich, » warum Sie glauben, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat? «
MacMullin hält das Sherryglas in den Lichtschein und dreht es herum. » Es verlockt mich, die Gegenfrage zu stellen. «
» Sie meinen – warum er starb? «
» Genauer gesagt – warum starb er so schnell? «
» Schnell? «
Er stellt sein Glas auf den niedrigen, runden Tisch zwischen uns. » In den Evangelien gibt es wenig, das erklären könnte, warum die Verletzungen, die Jesus zugefügt wurden –faktisch alles nur Fleischwunden –zu so einem raschen Tod geführt haben sollen. «
» Er wurde gekreuzigt! «, platze ich heraus. » An ein Kreuz genagelt! Gefoltert! Warum sollte er da nicht rasch sterben? «
MacMullin presst die Fingerkuppen gegeneinander. » Jeder Gläubige, jeder Mediziner,
Weitere Kostenlose Bücher