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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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«
    » Aber du hast weitergemacht. Hast mich angemacht. «
    » Nicht um ihnen zu gehorchen. Ganz im Gegenteil. Um mich ihnen zu widersetzen. Versuch, mich zu verstehen, Bjørn. Wenn ich dich benutzt habe, dann für mich. Aus Trotz. Weil du mir etwas bedeutest. Weil ich ihnen beweisen wollte, dass ich kein Teil ihres Spiels bin. Aber trotzdem … «
    » Wir können das hinbekommen, Diane. Wir können das durchstehen! «
    » Es würde niemals funktionieren. Sie haben alles kaputtgemacht. «
    » Können wir nicht trotzdem … «
    » Nein, Bjørn. « Sie macht auf dem Absatz kehrt. » So ist es nun einmal «, sagt sie. Sie sieht mich nicht an. » Es tut mir Leid. « Sie begegnet meinem Blick, lächelt kurz, traurig.
    Dann dreht sie sich wieder um und eilt hastig über den Kiesweg davon. Das Letzte, was ich von ihr höre, ist das Knirschen ihrer Schritte im Kies.
    ∗ ∗ ∗
    A ls Papa starb, gab es viel Hin und Her zwischen Mama und dem Bestattungsinstitut darüber, ob der Sarg bei der Gedenkfeier in der Kapelle offen sein sollte oder nicht. Der Bestattungsunternehmer riet uns, den Sarg zu schließen. Damit wir Papa so im Gedächtnis behalten konnten, wie er gewesen war. Erst als sich Mama hartnäckig weigerte, sah sich der Unternehmer gezwungen, unangenehm zu werden.
    » Gute Frau, er ist dreißig Meter in die Tiefe gestürzt, auf eine Geröllhalde. «
    Mama tat so, als verstehe sie nicht. Sie war nicht ganz bei sich. » Können Sie ihn nicht schminken? «, schlug sie vor.
    » Gute Frau, Sie verstehen nicht. Wenn ein Körper nach einem Sturz von dreißig Metern auf einem Geröllfeld aufschlägt … «
    Zu guter Letzt blieb es bei dem offenen Sarg.
    Die Kapelle war mit Blumen geschmückt worden. Ein Organist und ein Geiger spielten Psalme. An einer Hintertür standen vier Mann vom Bestattungsunternehmen. Sie hatten professionelle Mienen und sahen aus, als könnten sie jeden Moment losheulen. Oder zu lachen beginnen.
    Der Sarg stand auf einem kleinen Podest.
    Adagio. Zerbrechliche Töne in der Stille. Leises Schluchzen, Sorgen, verwoben mit der Musik.
    Sie hatten seine Hände gefaltet – diese waren unverletzt geblieben –und ihm einen Strauß Wiesenblumen zwischen die Finger geschoben. Das bisschen, das von seinem Gesicht übrig war, leuchtete durch ein ovales Loch, das sie in das Seidenlaken geschnitten hatte, in das man ihn gewickelt hatte. Um uns zu schonen. Sie mussten lange an ihm gearbeitet haben, bemüht, sein Äußeres mit Baumwolle und Schminke zu rekonstruieren. Es war nicht Papa, der dort lag. Als ich seine Finger berührte, waren diese eiskalt und steif. Ich weiß noch, dass ich dachte: Fühlt sich an wie eine Leiche.
    11
    MORGEN . DAS LICHT IST verschleiert. Die Farben an den Hängen sind noch nicht aufgewacht. Benommen von der Müdig keit hocke ich da, mit den Ellenbogen auf dem Fenstersims. Schon die ganze Nacht starre ich in das große, schwarze Nichts, habe gesehen, wie sich das Dunkel in einem blassen Schimmer aufgelöst hat, und den Sternentanz der Fledermäuse beobachtet. Schon seit der Dämmerung flattern nun die kleinen Vögel zwitschernd durch den Baum vor dem Fenster. Wie jagende Pfeile haben sie die Insekten in den Himmel getrieben. Unten auf dem Hof bleibt eine grauschwarze Katze stehen und streckt sich behaglich. Ein verschlafener Lastwagen rollt mit Gemüse und Obst auf der Ladefläche über die Landstraße.
    Diane ist abgereist. Ich habe sie fahren sehen. Mitten in der Nacht hat jemand ihre Koffer in den Kleinbus getragen und ist dann mit ihr aufgebrochen. Mehrere Minuten lang konnte ich die langsame Lichtkugel mit den Augen verfolgen, ehe sie vom Dunkel geschluckt wurde.
    12
    » IST IHNEN JEMALS in den Sinn gekommen, dass nichts in diesem Leben wirklich so ist, wie man es sich vorstellt? «
    Er sitzt im Schein der Flammen vor dem Kamin in der Biblio thek. Es ist Abend. Ein Neandertaler mit zusammengebissenen Zähnen und ausweichendem Blick hat mich abgeholt und mich schweigend durch die Flure der Burg in den großen Raum geführt, den MacMullin bescheiden » seine Leseecke « nennt.
    Die Wände sind über und über mit Büchern bedeckt. Tausende und abertausende alter Werke, vom Boden bis an die Decke; ein Mosaik gelbbrauner Buchrücken und Einbände mit verschnörkelten lateinischen oder griechischen, französischen und englischen Titeln. Der Raum duftet nach Staub, Leder und Papier.
    MacMullin hat zwei Gläser mit Sherry gefüllt. Wir prosten uns wortlos zu. Die Scheite im Kamin

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