Egeland, Tom
Jehohanan. Während er am Kreuz hing, wurden ihm die Beine gebrochen. Zu seinem eigenen Besten. «
» Und Jesus? «
» Jesu Füße waren am Kreuz befestigt. Trotzdem hing er nur Stunden am Kreuz, bis er verschied. Es gibt keine medizinischen Gründe für diesen raschen Tod. Nichts in der Beschreibung der Bibel deutet an, dass er an der Folter, die er erleiden musste –das Auspeitschen, die Dornenkrone, das Annageln oder die Speerwunden –, so schnell zu Tode kam. «
» Warum nicht? «, wende ich ein. » Kann er nicht von der Folter so geschwächt gewesen sein, dass die Kreuzigung dann einfach zu viel war? «
» Die Römer hatten eine gewisse Erfahrung damit. Selbst Pontius Pilatus war erstaunt darüber, wie schnell Jesus gestorben war. Er war so ungläubig, dass er einen Offizier zu sich rief, um sich die Nachricht bestätigen zu lassen. «
Ich winde mich in meinem Sessel. Ich weiß nicht, wie weit ich mich von MacMullins seltsamem Enthusiasmus mitreißen lassen soll oder ob auch das wieder nur eine falsche Fährte ist, um mich zu verwirren und die Wahrheit zu vernebeln.
MacMullin steht auf und tritt an den Kaminsims. Dann dreht er sich um und verschränkt die Arme. » Woran kann Jesus so schnell gestorben sein? Sicher nicht, weil er ans Kreuz geschlagen wurde. Die einzig wahrscheinliche Todesursache ist, wie Sie angedeutet haben, die Erschöpfung durch die Quälereien vor der eigentlichen Kreuzigung. Aber Jesus war ein junger, kräftiger, gesunder Mann. Er war viel zu ausdauernd, als dass ein Tod durch Erschöpfung glaubhaft wäre. «
» Ich habe mir die Kreuzigung immer als etwas unbeschreiblich Grausames vorgestellt «, sage ich. » Etwas, das einem schnell und schmerzhaft das Leben nimmt. «
MacMullin seufzt schwer. » Grausam, ja. Aber schnell ging es nicht. Ganz im Gegenteil. Die Kreuzigung war eine langsame, quälende Art zu töten. «
Er setzt sich wieder in den Sessel und leert sein Sherryglas in einem schnellen Schluck. » Und noch ein Punkt: Jesus wird unmittelbar vor seinem Tod ein Schwamm mit Essig zum Trinken gereicht. Essig? Warum gibt man ihm Essig? Essig ist eine stimulierende Flüssigkeit, die die Opfer bei Bewusstsein halten soll. Statt zu sterben, hätte er durch diesen Trunk wieder zu sich kommen sollen. «
MacMullin dreht das leere Glas in den Fingern. » An diesem Punkt können wir unser Gedankenspiel beginnen, unser , intellektuelles Experiment. « Ein paar Sekunden lang verliert er sich in einem inneren Monolog. » Stellen Sie sich vor «, sagt e r, » dass der Schwamm keinen erfrischenden Essig beinhaltete, sondern etwas anderes. Zum Beispiel ein Betäubungsmittel, eine Droge. Einen Stoff, der Jesus ohnmächtig werde n l ässt, der ihn zusammensacken lässt. Für alle, die die Kreuzigung verfolgen, müsste das wie ein plötzlicher Tod wirken. «
Ich versuche, mir das alles bildlich vorzustellen. Aber ich weiß noch immer nicht, was ich glauben soll.
MacMullin lehnt sich zurück und betrachtet mich. Ein vorsichtiges Lächeln liegt auf seinen Lippen. Als verstehe er ausgesprochen gut, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf geht.
» Die Fragen häufen sich nur so, wenn man beginnt, die Evangelien aus einem kritischen Blickwinkel zu lesen «, sagt er. » Der Bibel zufolge fand die Kreuzigung auf Golgatha statt, was übersetzt in etwa › Schädelstätte ‹ heißt. In der Nähe eines Gartens … eines Gartens mit einer privaten Grabhöhle. Der Garten gehörte Josef von Arimathäa, einem Anhänger von Jesus. Es ist nicht jedem vergönnt, eine private Grabstätte in einem Garten zu haben. Er muss der Oberklasse angehört haben. Gleichzeitig war die Kreuzigung eine Hinrichtungsform, die die Römer der Unterklasse vorbehielten. Das Ganze ist ziemlich unverständlich. Die Schilderungen in der Bibel lassen es glaubhaft erscheinen, dass die Kreuzigung privaten Charakter gehabt haben konnte und auf privatem Grund stattgefunden hat, und nicht auf einem öffentlichen Richtplatz. Aber es war ein öffentlicher Prozess. «
» Warum sollte jemand einen solchen Bluff inszenieren? «
» Was halten Sie von der Behauptung, die Kreuzigung war eine Täuschung, die von den Herrschenden gestützt wurde? «, fragt er leise.
» Was? Wollen Sie damit sagen, die Römer waren an diesem Bluff beteiligt? «
» Warum nicht? Wer war Pontius Pilatus? Er war doch bekannt dafür, ein korrupter Schurke zu sein. Wie schwer war es wohl, ihn zu bestechen und dazu zu verleiten, bei dieser Kreuzigung nicht so
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