Egeland, Tom
Dämonen raus, die in diesem Augenblick in ihm wüten.
Ich gebe ihm die Zeit, die er braucht.
Nach einer Weile wendet er sich mir wieder zu. Seine Augen sind leer. » So ist es «, sagt er.
» Ein Manuskript «, erwidere ich. » Ein Manuskript und eine Karte. «
» Das ist es, was wir glauben. «
Eine Weile bleiben wir still sitzen.
» Das hört sich nach einer Art jüdischen Konspiration an «, sage ich.
» Sie scheinen ja eine gewisse Vorliebe für Verschwörungen zu haben. «
» Was, wenn Sie der Anführer eines jüdischen Netzwerks sind, das ein für alle Mal beweisen will, dass Jesus nicht Gottes Sohn war? «
» Alles ist denkbar. «
» Wenn das Manuskript beweist, dass Jesus nie am Kreuz starb und auch nicht auferstanden ist, würde das zum Kollaps der religiösen Weltordnung führen. «
» Das ist wohl richtig. Aber ich bin nicht jüdischen Glaubens. «
» Wenn Sie aber Christ sind, liegt Ihr Interesse vermutlich darin, den Beweis zu vernichten, dass das Christentum auf einer Lüge basiert. «
» Wieder eine treffende Analyse. Aber ich habe keinen geheimen Grund, der hinter meiner Meinung steht, dass es der Welt nicht gut tun würde, die Wahrheit zu erfahren. Ich kann Ihnen das ganz direkt sagen. Es ist das Beste für alle, wenn diese Informationen zurückgehalten werden. Die Alternativen sind zu erschreckend. Für niemanden, absolut niemanden, wäre es gut, die Wahrheit zu erfahren. Wir haben nicht das Recht, die Geschichte aus den Angeln zu heben. Das würde zu nichts Gutem führen. Wir würden Millionen vo n M enschenleben zerstören. Den Nationen den Glauben nehmen. Das ist es nicht wert. Nichts wäre einen solchen Preis wert. «
» Ein Manuskript, geschrieben von Jesus … «, sage ich leise. » Eine Beschreibung des Weges zu seinem Grab … «
» Das glauben wir. «
» Glauben? «
» Wir können uns nicht ganz sicher sein. Nicht bevor wir den Schrein geöffnet und es mit eigenen Augen gesehen haben. Aber was der Schrein auch beinhaltet, wir wissen, dass der erste Herrenmeister –Jesu ältester Sohn –ihn versiegelt und bewacht hat, ehe er ihn seinem Erstgeborenen, dem nächsten Herren meister, überlassen hat. Jeder von ihnen hat sein Leben der Bewachung des Schreins gewidmet. Bis er aus unseren Händen verschwand. Im Kloster Værne im Jahre 1204. « Dann fügt er hinzu: » Ja und dann natürlich in Ihre Hände. Achthundert Jahre später. «
» Der Schrein ist niemals geöffnet worden? «
» Natürlich nicht. «
» Und was wird dann jetzt damit geschehen? «
» Ich werde ihn persönlich ins Schimmer-Institut bringen. «
» Das überrascht mich nicht. Vielleicht ist Peter einer von denen, die darauf warten? «
» Peter, natürlich! David, Uri, Mosche … und einige Dutzend der renommiertesten Forscher, alle rekrutiert von der SIS. Historiker. Archäologen. Theologen. Linguisten, Philologen. Paläografen. Philosophen. Chemiker. «
» Wie ich sehe, haben Sie alle Ihre Freunde eingeladen. «
» Wir haben einen Flügel gebaut, der bereitsteht, den Schrein zu empfangen. Wir dürfen das Risiko nicht eingehen, dass feuchte oder trockene Luft, Kälte oder Hitze das Manuskript zerstören. Unsere Fachleute haben eine Methode entwickelt, die die zweitausend Jahre alte Atmosphäre i m S chrein gradweise an die Luft im Labor angleicht. Allein für die Öffnung des Schreins sind zwei Monate veranschlagt worden. «
» So gesehen ist es wohl ein Vorteil, dass ich ihn nicht in meinem Arbeitszimmer geöffnet habe. «
MacMullin schaudert.
» Wenn wir den Schrein schließlich geöffnet haben «, sagt er, » müssen wir den Inhalt vorsichtig herausnehmen. Blatt für Blatt. Vielleicht hat sich der Papyrus aufgelöst, sodass die einzelnen Lagen wieder verleimt werden müssen, Stück für Stück wie ein Puzzle. Wir müssen die Fragmente fotografieren und konservieren. Wir wissen nicht, in welchem Zustand sie sich befinden werden. Doch so, wie man auch noch die Schrift auf einzelnen Ascheflocken erkennbar machen kann, werden wir diese Zeichen deuten können. Die Arbeit ist mühselig. Zuerst technischer Natur und dann sprachlicher. Wir müssen die Schriftzeichen deuten. Sie übersetzen. Sie aus dem Zusammenhang verstehen, aus dem Kontext. Wenn es sich um ein längeres Manuskript handeln sollte, wird die Arbeit Jahre dauern. Viele Jahre. Finden wir eine Karte oder eine Wegbeschreibung zum Grabe Jesu, steht Professor Llyleworth bereit, um mit seinem Archäologen -T eam auszurücken. Alles ist
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