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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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sind sie gegangen? «
    » Hierher «, sagt MacMullin. » Das letzte Versteck von Jesus war Rennes-le-Château. «
    13
    MANCHMAL MUSS MAN sich der Natur zuwenden, um sich selbst zu finden. Den Hummeln, die der Aerodynamik trotzen, den Füchsen, die sich ihren eigenen Lauf abnagen, um der Schlinge zu entgehen, den Fischen, die sich mit den Korallen vereinen, um nicht gefressen zu werden. Im Reich der Pflanzen habe ich immer eine Liebe für Argyroxiphium sandwicense verspürt, die Pflanze, die ich meiner Lehrerin gegenüber erwähnte, als sie fragte, welche Pflanze wir gerne wären. Das Silberschwert. Jahr um Jahr wächst sie heran, unscheinbar und bescheiden, und macht nicht viel Aufhebens um sich. Ich erkenne mich in ihr wieder.
    Langsam wird sie zu einer Kugel, einen halben Meter hoch, bedeckt von silber schimmernden Haaren. Dann schießt ein zwei Meter hoher Stängel aus der Kugel.
    Nach zwanzig Jahren blüht sie plötzlich. Die Blüte ist derart überwältigend, dass die Pflanze daran stirbt.
    Man kann nicht anders, man muss die standhafte Geduld dieser Pflanze bewundern.
    14
    MACMULLIN HOLT MICH in der Dämmerung. Als ich mitten in einem Traum die Augen öffne, scheint er in dem klebrigen Morgenlicht wie ein Gespenst über mir zu schweben.
    Ich versuche, wach zu werden und zu verstehen, was er will. Ob er ein Teil des Traums ist, den ich noch nicht ganz hinter mir gelassen habe.
    » Was ist los? «, murmele ich. Die Worten schwappen in meinem Schädel wie ein zähes, knarrendes Echo hin und her.
    Zum ersten Mal wirkt er unsicher. Er reibt sich die Faust in der offenen linken Hand. » Bjørn … «, sagt er. Als gäbe es etwas, das er mir lieber nicht sagen würde.
    Ich richte mich auf. Versuche, den Schlaf abzuschütteln. Der Raum weitet sich in alle Richtungen. Ich sehe zwei MacMullin s. Mein Kopf fällt zurück aufs Kissen.
    » Sie haben angerufen «, sagt er.
    Ich kneife die Augen fest zusammen und reiße sie dann wieder auf, kneife sie zusammen und reiße sie auf. Sicher sehe ich seltsam aus, aber ich versuche nur, zu mir zu kommen.
    » Wer hat angerufen? «, frage ich.
    » Es geht um Grethe. «
    » Ist sie …? «
    » Nein! Noch nicht. Aber sie hat nach Ihnen gefragt. «
    » Wann können wir fahren? «
    » Jetzt. «
    15
    DER PRIVATJET WARTET auf dem Flughafen in Toulouse. MacMullins weiße Limousine passiert die Absperrungen und Kontrollposten und hält sanft bei der Gulfstream-Maschine. Nach zwanzig Minuten sind wir in der Luft.
    » Bald sind wir am Ende des Weges «, sagt er.
    Ich sitze in einem tiefen Lehnsessel an einem großen, ovalen Fenster mit Aussicht in den Himmel. Das unbegreifliche Zusammenspiel von Aerodynamik und Ingenieurskunst hat uns auf siebentausend Fuß Höhe gebracht. Unter uns ist die Land schaft ein Flickenteppich ausgewaschener Nuancen und Schatten.
    Zwischen MacMullin und mir befindet sich eine Tischplatte, die im Flugzeugrumpf befestigt ist. In der Mitte steht eine Schale mit roten und grünen Äpfeln. Er fängt meinen Blick auf. » Das alles ist für Sie sicher nicht leicht zu verstehen «, sagt er.
    » Nein … «, antworte ich zweideutig, denn ich weiß nicht, ob er auf all das anspricht, was er mir erzählt hat, oder ob er an Grethe denkt, » nein, es ist nicht einfach. «
    Die zwei Rolls-Royce-Jetmotoren der Gulfstream bilden einen gleichmäßigen Lärmteppich. In der Ferne erblicke ich eine Wolkenbank, die wie weiße Farbe im Wasser aussieht.
    MacMullin schält sich einen Apfel. Mit dem kleinen Obst messer schneidet er die Schale in einer einzigen, langen Spirale ab. Er teilt den Apfel in vier Stücke und trennt das Kerngehäuse heraus. » Wollen Sie? «, fragt er, aber ich schüttele den Kopf.
    » Alles in allem betrachtet «, sagt er und steckt sich ein Stück in den Mund, » basiert vieles im Leben auf Illusionen. Nur dass wir es nicht wissen. Oder nicht erkennen wollen. «
    Wieder macht er es mir schwer, eine konkrete Antwort zu geben. Ich begreife nicht, was er meint. » Es ist ein bisschen viel für mich … das alles «, murmele ich.
    Er bleibt kauend sitzen und nickt. » Ich erwarte ja nicht, dass Sie mir glauben «, sagt er.
    Erst antworte ich nicht. Dann sage ich: » Vielleicht tue ich es gerade deshalb. «
    Er steckt sich ein weiteres Apfelstückchen in den Mund. Der säuerliche Fruchtsaft lässt ihn eine Grimasse schneiden.
    » Zu glauben ist eine freie Entscheidung «, sagt er. » Ob es nun darum geht, das zu glauben, was einem ein Mensch erzählt hat, oder an das

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