Egeland, Tom
richtiggehend enttäuscht, wenn sie einsehen müssen, dass die zahlreichen » Enthüllungen « über heimliche Codes und verborgene Wahrheiten entweder angeregt sind durch gute, altmodische Dichtung, durch Gedankenspiele in pseudowissenschaftlichen Büchern bzw. im Internet, oder im besten Fall durch lose Hypothesen, die Gegenstand fachlicher Unsicherheit oder Auseinandersetzungen sind. Touristen etwa, die die majestätische Kirche Saint-Sulpice in Paris besuchen, wo der Albino-Mönch Silas den Heiligen Gral zu finden hofft, treffen auf ein Plakat mit folgendem Text: » Anders als in einem aktuellen Bestseller fantasievoll behauptet wird, ist diese Kirche kein heidnischer Tempel. « Das Plakat weist nachfolgend auch noch andere Behauptungen des Buches über diese traditionsreiche Kirche zurück. Aber selbst Saint-Sulpice profitiert von den Kräften des Büchermarkts: im Laufe eines halben Jahres waren zehntausend Besucher aufgrund von Sakrileg in der Kirche.
Sakrileg ist ein Roman. Punktum. Es enthüllt keine unbe kannten, verborgenen Wahrheiten jenseits der Myriaden von unbelegten und international bekannten Gedankenspie len, New-Age-Spekulationen und fantasievollen Verschwörungstheorien, hinter die sich nur wenige seriöse Wissenschaftler stellen. Doch ruhig Blut! Sakrileg ist deshalb nicht minder spannend. Auch wenn viele der Theorien in Sakrileg wissenschaftlich wie faktisch nicht » stimmen « und viele der Aufsehen erregenden Behauptungen zurückgewiesen werden können –das Buch ist und bleibt ein spannender und unterhaltsamer Thriller. Wer wirklich gepackt ist, kann ja selbst Nachforschungen darüber anstellen, was womöglich ein Körnchen Wahrheit enthalt!
Die Leser zu erfreuen und herauszufordern, das ist das Hauptziel eines jeden Romans. Dan Brown ist das besser geglückt als den meisten von uns. Im Gegensatz zu den meisten anderen Thrillern regt Sakrileg die Leser dazu an, seriöse Antworten auf die vielen komplizierten und herausfordernden Fragen und Behauptungen zu finden, die der Roman enthält.
E ine Frage des Glaubens
V or diesem Hintergrund fragen meine Leser vielleicht: Wie viel von Frevel entspricht der Wahrheit?
Die Antwort ist einfach: Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite ein Roman. Ein Gedankenspiel. Isoliert gesehen sind einige historische und theologische Informatione n » wahr «. Manche sind fachlich umstritten und kontrovers. Manche sind ausgeschmückt. Wieder andere sind erfunden. Aber als Schriftsteller habe ich » die historische Wahrheit « in einem dichterischen Zusammenhang benutzt, was alles in allem zur Folge hat, dass das Buch von Anfang bis Ende ausschließlich eine Fiktion ist. Wenn ich in theologischen und historischen Verschwörungstheorien geschwelgt habe, dann, weil es in den Roman hineinpasste. Wenn ich mich auf kon traverse theologische Einschätzungen gestützt habe, dann, um die Fiktion zu verpacken. Dieser Roman sollte sich um ein Rätsel larger than life drehen, und die Gedankenspiele in einem Buch wie Der Heilige Gral und seine Erben passten –genauso wie abweichende theologische Standpunkte –wie ein Schlüssel ins Schlüsselloch.
Dennoch …
Ich bin kein Theologe. Ich bin noch nicht einmal gläubig. Aber viele der Fragen über die Entstehung des Neuen Testaments, die Frevel aufwirft, sind Fragen, über die ich selbst ernsthaft nachdenke. Ich habe die Antworten nicht. Tatsächlich jedoch haben auch die Theologen keine Antworten. Schlussendlich laufen die grundlegenden Fragen und Antworten auf eine Frage des Glaubens hinaus. Die Theologie ist auf dem besten Weg zu einem Fach ohne Fazit.
Wenn man von den Gedankengängen rund um das Neue Testament in diesem Buch fasziniert ist, gibt es eine Fülle von seriöser Fachliteratur, die alle Fakten beleuchtet, sowie die Unsicherheiten, die über die Entstehung dessen existieren, was unsere Bibel ist und damit die Grundlage für den Glauben der westlichen Welt.
Die Bibel ist ein intellektuelles Produkt. Jemand hat die Texte geschrieben. Andere haben diese möglicherweise ausge schmückt und umgeschrieben. In vielen Fällen gingen die Texte von Mund zu Mund, ehe sie auf Papier festgehalten wurden. Schließlich hat jemand die Texte ausgewählt, die in die Bibel aufgenommen wurden.
Wenn man die biblischen Texte als heilig ansieht und als indirekt von Gott inspiriert oder diktiert, braucht man die Bibel kaum einer Quellenkritik zu unterziehen. Was aber, wenn man den Glauben aus dem Bibelverständnis
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