Egeland, Tom
ergänzen, dass ich bei der Ausgrabung des Schreins anwesend war. Wenn er nicht selbst Archäologe wäre, würde ich ihm etwas über den Bodenaufbau erklären, darüber, dass sich Erde und Sand über Jahrhunderte hinweg in parallelen Schichten zusammenpressen, die verschwänden, sobald jemand eine Grube graben und sie wieder auffüllen würde. Ich könnte ihm erklären, wie dicht die Erde rings um den Schrein lag und dass die Strukturschichten unverletzt waren. Aber ich tue es nicht.
» Es gab, gelinde ausgedrückt, einen Skandal. Er hat seine Kompetenzen meilenweit überschritten. Ich kann wohl sagen, dass der Club noch niemals zuvor von einem derartigen Skandal erschüttert worden ist. Aber wir konnten nur eins tun –die Fassade wiederherstellen. Natürlich ahnten wir, wo MacMullin den Schrein vergraben hatte. Das Problem war, es genau herauszubekommen. Bis wir das Satellitenbild fanden, das er extra bestellt hatte. Es war mit einem Infrarotfilm aufgenommen worden, sodass wir die Strukturen unter der Erdoberfläche zu erkennen vermochten. So konnten wir sowohl ein Oktogon als tatsächlich auch eine Rundburg auf dem Gelände des Klosters sehen. Der Rest war relativ einfach. Die Operation bekam sogar einen Codenamen. Operation Shrine. Wir organisierten eine Ausgrabung. Es wäre unmöglich gewesen, das Oktogon, ausgehend von den Satellitenbildern, ohne einen gewissen Toleranzbereich auszugraben. Der Versuch, den Schrein direkt zu Tage zu fördern, hätte uns verraten. Deshalb gingen wir so vor, wie wir es auf der Suche nach einer Rundburg getan hätten. Wir hielten uns an die Spielregeln. Wir stellten ein Gesuch. Wir bezahlten. Wir akzeptierten sogar einen norwegischen Kontrolleur. Einen pflichtbewussten jungen Mann, der uns, wie sich zeigen sollte, Probleme bereiten würde. «
Er lacht leise und sieht mich an.
» Die britische Regierung hat die norwegischen Behörden über die Tragweite dieser Affäre informiert. Die britische Botschaft in Oslo steht uns bei unserer Arbeit bei. Mr. Beltø, ich denke, Sie haben kaum eine andere Wahl. Sie müssen uns diesen Schrein notgedrungen zurückgeben. «
Ich fühle mich wie ein Kind an Weihnachten. Wenn die Geschenke verteilt worden sind und man auf dem Sofa zusammensackt, warm und leer und matt, weil sich die Spannung gelöst hat. Um einen herum sitzen Eltern und Großeltern, Tanten und Onkel und lächeln und nippen an ihren Gläsern, und man weiß, dass es vorbei ist und bis zum nächsten Mal wieder ein Jahr dauern wird. So fantastisch sie auch ist, so kommt die Erklärung doch wie eine kalte Dusche, wie eine Antiklimax.
» Verstehe «, sage ich. Dieses Mal bin ich es, der vor sich hin spricht.
» Sie – verstehen? «
» Sie werden ihn bekommen. «
» Das freut mich. Sehr. Haben Sie ihn mitgebracht? «
» Nein, leider. Er ist in Norwegen. «
Er erhebt sich. » Kommen Sie «, sagt er. » Ich habe ein Flugzeug in Stanstead. «
» Ich habe heute Abend eine Verabredung. Eine Verabredung, die ich auf keinen Fall verpassen möchte. Aber wir können morgen fliegen. «
» Ein Mädchen? «
» Eine Göttin. «
Er zwinkert mir zu. Auch wenn die Jahre seine Leidenschaft haben abkühlen lassen, so lodert sie doch in seinen Erinnerungen.
Auf dem Weg nach draußen muss ich auf die Toilette. Das Toilettenpapier ist noch verpackt, die Seife unbenutzt. Das Handtuch ist frisch gebügelt, doch der Spiegel ist voller Fingerabdrücke und Fettflecken. Man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Preisschild abzumachen. Neun Pfund neunzig. Ein Schnäppchen, wenn man mich fragt.
DeWitt drückt meine Hand, als ich gehe. Wir verabreden uns am kommenden Morgen um zehn vor meinem Hotel. Er bedankt sich für meine Bereitschaft, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Die Limousine fährt vor, als ich die Treppe nach unten gehe. Ich öffne die Tür und steige ein. DeWitt winkt. Er sieht aus wie ein reicher, eigenbrötlerischer Onkel. Die Limousine setzt sich in Bewegung. Ich habe nicht gesagt, wohin ich will. Aber nach fünf Minuten hält sie vor meinem Hotel.
16
» ICH FLIEGE MORGEN nach Hause «, sage ich.
Diane hat sich in einer Glocke aus ferner Gleichgültigkeit verkrochen. Sie sieht zu mir auf. » Schon? «, fragt sie. Etwas wie Erschöpfung liegt in ihrem Blick. Als habe sie Zuflucht bei einem Streifen weißen Trostpulvers gesucht.
Sie wohnt in einer Wohnung im neunzehnten Stock eines Hochhauses mit einer Aussicht, die mich zu der Frage verleitet, ob das nicht der Eiffelturm ist, den
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