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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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gehört; am Flughafen durch Körperscanner oder, wie etwa beim Flughafen von Los Angeles, durch spieltheoretisch modellierte Überwachungsraster; beim Online-Einkauf durch ökonomische Agenten.
    Am Projekt »marktkonforme Demokratie« wird nach Lage der Dinge bereits in fast allen westlichen Industrienationen ge arbeitet. Wie bisher die automatisierten Finanzmärkte, die sozia len Netzwerke und die Suchmaschinen im kommerzialisierten Internet, entwickelt der neue Informationsstaat robotergesteuerte Methoden der Verhaltensvoraussage und Überwachung nach dem Vorbild der Pre-Crime-Analytik. Die Ausstrahlungszentren des Informationskapitalismus des 21. Jahrhunderts befinden sich im Silicon Valley und der Wall Street. Ein drittes, das mächtigste von allen, das sich unablässig mit den Gedanken von Menschen beschäftigt, aber liegt in Virginia. Dort befindet sich der Sitz der NSA , der Nationalen Sicherheitsbehörde der USA . Heute arbeiten die besten Köpfe bei der NSA (das Carnegie-Mellon-Projekt beispielsweise wurde von der DARPA , der For schungsabteilung des Verteidigungsministeriums, finanziert), und Google wirbt dort seine Manager ab. 174 Was einst die Bunker und Überwachungsapparate des Kalten Kriegs waren, ist nun in den sehr viel liquideren Strukturen der NSA zu Hause. Wenn die Spieltheoretiker des Kalten Kriegs ökonomische Spiele mit der Sowjetunion spielten, dann ist ist die NSA einen Schritt weiter: Sie ist wesentlicher Bestandteil der Informationsökonomie geworden und, wie einst die Leute von RAND , im Begriff, soziale Übereinkünfte umzuschreiben. Einer ihrer wichtigsten Vordenker, obwohl selbst nicht Mitglied der NSA , sieht sogar neue konstitutionelle Ordnungen heraufziehen, die die demokratischen Nationalstaaten in ihren Grundfesten erschüttern werden.
    Philip Bobbitt hat für diese neuen Staaten den Begriff »Informations-Markt-Staaten« geprägt. Der Jurist ist ein einflussreicher politischer Vordenker der USA , einst Mitglied im Sicherheitsrat, Demokrat und alles andere als ein »Big Brother«. Er arbeitete schon für Bill Clinton, und George Bush hat Bobbitts Thesen in seine »State of the Union«-Rede 2004 aufgenommen.
    Bobbitt hat zwei Jahre nach der Lehman-Pleite unter dem Applaus von Henry Kissinger, Niall Ferguson und des amerikanischen politischen Establishments etwas gefordert, worauf sich ein finanztechnisch sturmreif geschossenes Europa gerade einstellt. Er entwarf und prognostizierte eine neue »konstitutionelle Ordnung, die den Nationalstaat ablösen wird«, die Verwandlung unserer Welt in »Informations-Markt-Staaten«.
    Die Lehre aus den aktuellen Krisen ist für Bobbitt nicht, dass man den Intelligenzquotienten der Märkte infrage stellt, sondern umgekehrt: Die Märkte haben die Staaten delegitimiert, weil die Staaten moderne Geld- und Informationsprozesse nicht mehr verstehen. Informations-Staaten haben eine ganz einfache Botschaft: Gebt uns Informationen über das, was ihr denkt, plant oder konsumieren wollt, und wir werden euch neue Chancen für eure Entfaltung und Karriere geben. Zugleich garantiert der moderne Informations-Markt-Staat nur noch minimale Wohlfahrtsansprüche.
    Bobbitt sagt nicht, dass er diese Entwicklung richtig findet. Er beschreibt sie wie ein Naturgesetz oder, besser gesagt: Er beschreibt sie, wie heute aller soziale Wandel beschrieben wird, als das Ergebnis eines technologischen Determinismus.
    Die Väter von Nummer 2 haben den Markt als einen einzigen gewaltigen Computer gesehen; eine informationsverarbeitende Maschine, die faire Preise festsetzt. Bobbitt geht den nächsten Schritt: Er sieht den Staat als Computer, der nun – da er einmal als eine Art Apple-Super-iMac mit superschnellem Chip, besserer Grafikkarte und schnellerer Datenübertragung und coolem Design auf dem Markt ist – von uns genauso wie das Handy, der Computer, Facebook, wie Vaucansons Ente, Friedrichs Automaten, Watts Dampfmaschine bestimmte Verhaltensweisen erzwingt.
    »Eine neue konstitutionelle Ordnung, die diesen Wandel verkörpert, wird über kurz oder lang den Nationalstaat ersetzen«, schreibt Bobbitt. Er redet nicht von Mr. Hyde und achtet auf eine gewisse Diplomatie, man hört deutlich das Echo der Väter von Nummer 2 aus Sätzen wie diesen:
    »(Der Informations-Markt-Staat) wird viele seiner Funktionen outsourcen. Damit wird die Legitimation des Staates teilweise verschoben: Er wird nicht mehr den Wohlfahrtsstaat garantieren, sondern dazu beitragen, dass jeder seine

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