Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)
ein nicht kooperatives Nullsummenspiel mit der Gesellschaft: Des einen Gewinn ist des anderen Verlust.
Man kann das auch sehr viel konkreter formulieren: Nach einem 50 Jahre währenden Kalten Krieg zwischen einem sozialwirtschaftlichen und einem planwirtschaftlichen System, die beide über die Atombombe verfügten, befinden wir uns nach dem Ende des Kommunismus in einem neuen Kalten Krieg zwischen demokratischen Nationalstaaten und globalisierten Finanzmarktkörpern.
Beide wissen, dass die jeweils andere Seite über gewaltige Abschreckungs- und Massenvernichtungswaffen verfügt. Beide können nicht direkt miteinander reden, sondern müssen das Denken des jeweils anderen in ihren Köpfen reproduzieren, um darauf zu reagieren. Beide müssen rationalerweise davon ausgehen, dass keine Seite den Vernichtungsschlag ausführt und die eine von der anderen Seite nicht wirklich wollen kann, dass sie pleitegeht, was aber nicht gegen strategische Erstschläge spricht, wie Lehman Brothers, die an ihre Systemrelevanz glaubten, mit (kurzem) Entsetzen feststellen mussten. Denn die Manager waren überzeugt, dass der Staat sie nicht untergehen lassen würde.
Wir müssen uns verabschieden von der Vorstellung, dass die Krise eine Ausnahmesituation ist und alle politischen Aktionen gleichsam Sonderoperationen eines Kriseninterventionsteams. Wir befinden uns in einer Phase der »Containment-Politik«, der »Eindämmung« einer globalen Finanzexpansion. Das Problem ist nur, dass anders als in den Fünfzigerjahren, als es um die Eindämmung eines atombombengestützen Sowjetimperialismus ging, der mächtigste Verbündete von damals, die USA , heute nicht mehr mitspielt. Unter all den schlechten Nachrichten in Charles Fergusons »Inside Job« ist ohne Zweifel die über die amerikanische Obama-Administration die schlechteste: Die amerikanische Regierung hat die Finanzeliten nicht nur geschützt, sondern sie zu Mitgliedern der Kabinetts gemacht.
Innerhalb eines einzigen Jahrzehnts, zwischen 2000 und 2010, verschob sich die »Balance of Power« zwischen europäischer Politik und den amerikanischen Finanzmärkten. In der Krise erst wurde offensichtlich, dass die Politik so agierte, wie es die Spieltheoretiker des Kalten Krieges vorgemacht hatten: Sie kommuniziert über Spielzüge, nicht über Argumente. Und Spielzüge können Bestrafungen sein, Belohnungen, scheinbare Selbstopfer, Rückzüge oder Offensiven.
Wie die Spieler der RAND -Corporation spielen sie nicht nur mit dem »Gegner« und nicht einmal nur mit den »Märkten«, sondern mit ihren eigenen Öffentlichkeiten. Reicht das Geld für den Rettungsschirm? Gilt die rote Linie? Soll das Parlament informiert werden?
Dass, wie der Öffentlichkeit gesagt wird, etwas »außer Kont rolle geraten« ist, »eingedämmt« werden muss, Geld »gebunkert«, »Panik« verhindert werden soll, ein »Schutzschirm« aufgespannt werden muss, über den juristisch immune »Gouverneure« entscheiden – das alles ist inklusive der Nuklearmetaphern »Kernschmelze«, »financial weapons of mass destruction« nicht die Sprache des Technischen Hilfswerks oder die von Fukushima, sondern die Sprache des inneren Kalten Kriegs.
18 Matrix
»Wie habt ihr einen solchen Menschen
schaffen können?«
D as also ist die Maschine, die die europäische Politik und ihre Bürger immer weiter gegen die Gitterstäbe ihres Käfigs presst? Das ist die Rationalität, der ganze Staaten in immer größerem Umfang ihre eigenen rationalen Entscheidungen anpassen müssen? Man hätte erwartet, dass etwas Skepsis einkehrt, und sei es nur in Form einer Inspektion, die feststellt, ob die fabelhafte Maschine »Markt«, die alle in Atem hält, wirklich so funktioniert, wie es in der veralteten Betriebsanleitung steht.
Wie konnte inmitten einer Marktkrise Angela Merkels Satz von »einer marktkonformen Demokratie« fallen und als Vision erscheinen, und wieso gab es zwar Reparaturanstrengungen in Staaten, aber nicht in Märkten? Die Antwort lautet: Weil fast alle politischen und gesellschaftlichen Eliten die Theorie, dass der Markt es besser weiß als man selbst, mit einem Naturgesetz verwechseln. Nur wegen dieser Umetikettierung war es möglich, dass die »Kernschmelze« der Finanzmärkte nicht etwa Zweifel am Allwissenden auslöste, sondern die politische Vision einer dem Markt gehorchenden Demokratie in die Welt setzte, die wie Phönix aus der toxischen Asche steigen sollte.
Was wir mit der Finanzkrise seit 2007 erleben, ist offenbar
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