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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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hieß. Loeser stieß einen Seufzer aus und blickte sich um. Auf einem Tisch in der Nähe stand Baileys Spielzeuglok, und darunter lag ein dünnes weißes Buch mit der altvertrauten Umschlagzeichnung, die eine Reihe von Häusern zeigte: Schatten über Innsmouth von H. P. Lovecraft.
    »Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie ein Lovecraft-Fan sind, Herr Professor!«
    »Wie bitte?« Bailey blickte von seiner Apparatur auf; als er sah, dass Loeser die Novelle in der Hand hielt, huschte ihm ein Anflug von Missmut über das Gesicht. »Ob Sie das bitte wieder hinlegen könnten?«
    Loeser blätterte das Buch durch und entdeckte, dass Bailey sogar mit einem Bleistift Anmerkungen gemacht hatte. Er hatte noch nie so eine winzige, verknotete Handschrift gesehen. »Ich sollte Sie jemandem vorstellen …«, sagte er. »Meinem Freund Blimk«, wollte er eben fortfahren und unterbrach sich dann kleinlaut. Stattdessen sagte er: »Sie kennen Lavicinis ganze Geschichte, nicht wahr? Nicht nur das, was in Rackenhams Travestie vorkommt?«
    »Ja.«
    »Die Tentakel und der Geruch und so weiter. Kommt es Ihnen nicht auch manchmal so vor, als wäre der Teleportationsunfall eine Story von Lovecraft?«
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich da Parallelen sehe«, sagte Bailey. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Mr Loeser? Ich komme direkt aus dem Theater und eile natürlich auch gleich wieder dorthin zurück, aber ich brauche noch einen Augenblick, um dieses Experiment in Gang zu setzen.«
    Loeser legte das Buch weg. »Heute ist die Premiere! Was gibt es da zu experimentieren?«
    »Ich verspreche Ihnen, dass es mich nicht von dem Teleportationsunfall heute Abend ablenken wird. Aber ich glaube, Adele und die anderen warten dringlichst auf Sie. Sie wissen offenbar nicht, was sie wegen Lavicini tun sollen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ach, ich dachte, Sie wüssten das – es gibt da irgendein Problem mit Ihrem Hauptdarsteller. Genaueres weiß ich nicht.«
    Loeser hatte zu Anfang seiner Laufbahn in Berlin gelernt, dass vor einer Premiere noch vom abgebrühtesten Neuexpressionisten ein gewisser Grad an Nervosität zu erwarten war, aber hinter der Bühne des Gorge-Auditoriums herrschte eher eine Stimmung, als würden Schauspieler und Techniker das Publikum erwarten wie Sünder das jüngste Gericht. Adele kam auf Loeser zugelaufen. »Egon, du Trottel, wo warst du denn? Seit drei Stunden rufen wir bei dir zu Hause an! Und was ist das für ein Geruch?«
    »Ich war nicht zu Hause. Vergiss den Geruch. Sag mir, was los ist.«
    »Dick liegt im Krankenhaus.«
    »Wie bitte?«
    »Es hat einen Unfall gegeben. Er ging an dieser Bäckerei an der Lake Avenue vorbei, und ein Auto kam ins Schleudern, weil der Fahrer einem kleinen Mädchen ausweichen wollte, das über die Straße lief …«
    »Mein Gott, Dick ist angefahren worden?«
    »Nein, das Auto ist in die Bäckerei gefahren und hat so einen riesigen Pappkuchen umgestoßen, und der hat Dick überrollt. Er hat eine Gehirnerschütterung, und sie wollen ihn nicht vor morgen früh entlassen. Wer soll denn jetzt Lavicini spielen?« Loeser fiel wieder ein, wie Hecht einmal den Jedermann »inszeniert« hatte, indem er dem Publikum eine halbe Stunde nach der vorgesehenen Anfangszeit mitteilte, der Hauptdarsteller sei in einen Brunnen gefallen und ertrunken (falsch) und es gebe kein Geld zurück (richtig). »Ich dachte, wir könnten vielleicht Rackenham fragen«, setzte Adele hinzu.
    »Er kennt den Text nicht.«
    »Aber er hat so viel Charme, dass es fast nicht darauf ankommt.«
    »Kommt nicht in Frage.« Loeser richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich spiele den Lavicini.«
    »Nein, Egon, bitte nicht!«
    »Wer soll es denn sonst machen? Ziesel? Wohl kaum. Ich muss nur den Text noch einmal durchgehen. Die anderen sollen sich keine Sorgen machen. Übrigens, ich wollte dir etwas zurückgeben, das du mir geliehen hast.« Loeser holte eine Nagelschere mit Perlmuttgriff aus der Tasche, die er von zu Hause mitgebracht hatte, und hielt sie Adele triumphierend vor die Nase.
    »Die gehört mir nicht.«
    »Tut sie doch.«
    »Habe ich noch nie gesehen.«
    Und so sehr es auch dazugehörte, dass Adele ihn in dieser Sache anlog, sah es doch ganz danach aus, als würde sie die Wahrheit sagen. Müde legte Loeser die Nagelschere auf den Requisitentisch, und Adele lief in die Maske. Eine halbe Stunde darauf trat er in einem Kostüm aus der Garderobe, das ein wenig niedergeschlagen war, weil es Dicks breite Surferschultern

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